Fleischboss Hadorn erklärt das Lehrlings-Loch
«Lieber arbeitslose Akademiker als Handwerker»

Warum sind manche Branchen bei Jugendlichen nicht mehr so beliebt wie früher? Fleischboss Ruedi Hadorn unternimmt einen Erklärungsversuch. Und wie siehts bei Migros und Coop aus?
Publiziert: 31.07.2015 um 11:45 Uhr
|
Aktualisiert: 01.10.2018 um 00:04 Uhr

In den letzten Monaten suchten Schweizer Unternehmen nach neuen Lehrlingen und Lehrtöchtern. Nicht alle waren dabei gleich erfolgreich – die Unterschiede zwischen den Branchen sind frappant.

Beliebt sind bei den Jungen Bürojobs im kaufmännischen Bereich. Und auch im Pflegebereich gibt es kaum noch offene Stellen. In beiden Bereichen gibt es mehr Bewerbende als Stellen.

Anders sieht es bei handwerklichen Berufe aus. Auf dem Bau, im Gastgewerbe und in Coiffeur-Salons sind noch Hunderte Lehrstellen offen. Im Kanton Zürich beispielsweise sind noch 1400 Lehrstellen zu haben. Allein bei den Coiffeuren sind 161 Position unbesetzt. Auch im Gastro- und Baubereich sind noch Dutzende Stellen offen. In Gärtnereien sind über 50 Stellen noch unbesetzt. In andern Kantonen ist die Lage ähnlich, auch wenn die Zahlen nicht so hoch sind.

Besonders stark unter dem Lehrlingsmangel leidet die Fleischbranche. Rund 200 Lernende werden im August ihre Ausbildung zum Fleischfachmann oder der Fleischfachfrau in Angriff nehmen. Das sind viel zu wenige!

Ruedi Hadorn, Direktor des Schweizerischen Fleisch-Fachverbands gibt unumwunden zu: «Unsere Branche hat leider ein Image-Problem. Viele nehmen uns nur über das traditionelle Berufsbild des Metzgers wahr.»

Dabei beinhalte das Fleischmetier vielseitige und kreative Tätigkeiten in Gewinnung, Verarbeitung, Veredlung und Verkauf – und dies «bei hervorragenden Karrierechancen», so Hadorn.

Eltern: Lieber arbeitslose Akademiker?

Die Gründe sieht er auch in der gesellschaftlichen Mentalität. «Viele Eltern haben lieber einen Akademiker mit weniger guten Jobchancen statt einen gut ausgebildeten Handwerker», glaubt er. Kombiniert mit den geburtenschwachen Jahrgängen mache das die Situation «extrem schwierig».

Konkret fehlten der Branche, die rund 25'000 Arbeitsplätze stellt, «gegen 150 bis 200» Lernende in diesem Jahr. Viele Betriebe fänden daher die Leute nicht mehr, die sie dringend bräuchten, klagt Hadorn.

Coop braucht mehr Zeit

Noch laufen in den vielen grossen Firmen die Ausbildungsprozesse. Migros und Coop können deshalb noch keine genauen Angaben machen. Coop-Sprecherin Nadja Ruch erklärt aber: «Wir benötigen heute, wie alle Arbeitgeber, generell mehr Zeit und Aufwand, um eine freie Lehrstelle zu besetzen, als in früheren Jahren.»

Begründung: In den vergangenen zehn Jahren seien in allen Branchen viele neue Lehrstellen geschaffen worden, die Zahl der Schulabgänger sei rückläufig und die Anforderungen seien «relativ hoch» sind. Dennoch profitiere Coop von seinem «guten Ruf als Lehrstellenanbieter», sagt Ruch mit Verweis auf die 30 vollamtlichen Lernenden-Verantwortlichen.

Migros: Ausserhalb von Zentren «anspruchsvoll»

Bei Migros seien «momentan etwa 20 Lehrstellen für Detailhandelsfachleute und -assistent/innen» ausgeschrieben, sagt Sprecherin Martina Bosshard. Manche seien noch im Bewerbungsprozess und würden bis Ende Monat besetzt.

«Wir haben jedes Jahr gewisse Lehrstellen im Angebot, die wir nicht besetzen können», sagt sie. In gewissen Gebieten ausserhalb der Zentren sei es «zum Teil tatsächlich anspruchsvoll, passende Bewerber zu finden». (vuc)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?