Der Feminismus der Zukunft trägt Kopftuch: Zu diesem Schluss könnte kommen, wer den Flyer der SP studiert (rechts). Unter dem Foto einer Muslima mit Kopftuch steht: «Ein schlagkräftiger Feminismus für das 21. Jahrhundert».
Unter diesem Slogan hatten SP Frauen und SP-Bundeshausfraktion für Freitag zum öffentlichen Diskussionsabend in Bern eingeladen. Die Frau auf dem Bild ist Kübra Gümüsay (28), eine deutsche Journalistin, Bloggerin, Aktivistin – und überzeugte Kopftuchträgerin.
Das Thema Kopftuch ist unter Feministinnen höchst umstritten. Alice Schwarzer (74) bezeichnete es einst als «Flagge der Islamisten». Viele sehen darin wie sie ein Symbol der Unterdrückung. Die gegenteilige Meinung lautet: Frauen bringen mit dem Kopftuch selbstbewusst ihre Religiosität zum Ausdruck.
Eine Feminismusdebatte aber fand am Freitag nicht statt. Die Genossinnen sagten den Anlass ab. Im leisen Stil: «Die Veranstaltung hat aus terminlichen Gründen nicht stattgefunden», so Nationalrätin Min Li Marti (43). Sie hätte den Abend moderieren sollen. Der Termin sei nicht gross beworben worden, sagt Marti. «Es schien daher nicht nötig, die Absage gross zu kommunizieren.»
«Es ging nicht um das Kopftuch»
War der SP der eigene Feminismus-Slogan nicht mehr geheuer? Marti: «Die Kopftuchfrage oder der Islam standen nicht im Vordergrund, man hätte zu diesem Thema auch eine nichtmuslimische Referentin einladen können.» Und Nationalrätin Natascha Wey (35): «Es ging nicht um eine feministische Debatte über das Kopftuch. Schliesslich haben wir Religionsfreiheit!»
Das Thema der Veranstaltung hätte vielmehr, so Marti, der «intersektionale Feminismus» sein sollen. Kübra Gümüsay habe zu diesem sehr speziellen Thema schon mehrfach Vorträge gehalten. SP-Nationalrat Cédric Wermuth (31) findet, genau solche Versammlungen seien es, an denen kontroverse Debatten geführt werden könnten.
Marianne Binder, CVP-Grossrätin und Parteipräsidentin im Kanton Aargau, vermutet, der SP sei wohl klar geworden, dass sie die Wertedebatte selbst noch führen müsse. «Nur widerspricht Frau Gümüsay den grundlegenden Prinzipien der Gleichberechtigung von Mann und Frau.» Deshalb habe die Partei das Treffen vermutlich abgesagt. «Sie merkte, dass die Debatte gegen sie läuft.»
Die Terminschwierigkeiten seien wohl eher eine Ausrede.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Die SP will den Anlass nun im nächsten Jahr durchführen.