In zwei Wochen endet die Sammelfrist für die sogenannte Burka-Initiative: Eine Gruppierung um den Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann (59) verlangt das Verbot der Vollverschleierung. Bis am 15 . September bleibt dem Egerkinger Komitee Zeit, um die nötigen 100'0000 Unterschriften zu sammeln. Im Visier hat es die Gesichtsverhüllung von Muslimas und damit den ultrakonservativen Islam – kein Wunder, werden dem Begehren gute Chancen eingeräumt.
Doch schon bevor es unter Dach und Fach ist, formiert sich eine Gegenbewegung, angeregt von Andrea Caroni (37). Der Ausserrhoder Ständerat und FDP-Vizepräsident hat im Sommer begonnen, hinter den Kulissen ein Nein-Komitee auf die Beine zu stellen.
Eine heftige Debatte ist damit programmiert – sie wird sich mitten durch die Parteien ziehen. In FDP und CVP etwa gibt es Sympathien für die Initiative.
Ein «Scheinproblem» werde bewirtschaftet
Caroni nennt vor allem rechtsstaatliche Gründe. Als Liberaler lehne er staatliche Kleidungsvorschriften ab. Hier gehe es um «Symbolpolitik», ein «Scheinproblem» werde bewirtschaftet. «Wenn in diesem Bereich ein echtes Problem auftaucht, haben wir bereits Regeln», sagt er. Tatsächlich darf man schon heute niemanden dazu zwingen, sich zu verhüllen, der Straftatbestand der Nötigung wäre damit erfüllt.
Warum lehnt er eine Initiative gegen die Unterdrückung der Frau ab? «Das Gleichstellungsargument kann ich aus dieser Ecke nicht ernst nehmen», antwortet Caroni. Dieselben Kreise, aus deren Umfeld die Vorlage kommt, hätten 1988 das moderne Eherecht bekämpft, das die rechtliche Gleichstellung der Schweizerinnen bedeutete.
Dass es zur hiesigen Kultur gehöre, mit «offenem Visier» aufeinander zuzugehen, hält Caroni ebenfalls für ein vorgeschobenes Argument: Es sei in vielen Situationen «sogar urschweizerisch», sein Gesicht zu bedecken, «sei es am Skilift, auf dem Motorrad oder an der Fasnacht». Dass man für das Passfoto, in der Schule oder am Flughafen sein Antlitz offenbare, sei selbstverständlich.
Im Komitee sind alle Bundeshausfraktionen vertreten
Wer sich verhülle, trage die Nachteile weitgehend eigenverantwortlich – in der Reaktion der Mitmenschen, auf dem Arbeitsmarkt, bei der Bewerbung für eine Aufenthaltsbewilligung oder für den Schweizer Pass.
Den Initianten gehe es um etwas anderes: «Sie wollen den Kulturkampf gegen den Islam und die Ausgrenzung der 400'000 Muslime in der Schweiz.» Caroni fragt: «Was kommt als Nächstes? Folgt bald die Initiative für ein Koranverbot? Und welche gesellschaftliche Gruppe gerät als nächste ins Fadenkreuz?» Dazu verletze die Initiative den Föderalismus: Wenn das Tessin zu einem Verhüllungsverbot Ja, die Glarner Landsgemeinde aber Nein sage, sei das zu respektieren.
Der Freisinnige überlässt nichts dem Zufall
Im siebenköpfigen Co-Präsidium des Nein-Komitees sind alle Bundeshausfraktionen vertreten – notabene auch die SVP. Caroni konnte den Zürcher SVP-Nationalrat Claudio Zanetti (50) als Co-Präsidenten gewinnen. Dabei sind weiter der Berner SP-Ständerat Hans Stöckli (65), die Zürcher CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer (51), die Zürcher GLP-Nationalrätin Tiana Angelina Moser (38), der Genfer Grünen-Ständerat Robert Cramer (63) sowie die Zürcher BDP-Nationalrätin Rosmarie Quadranti (60).
Ob Caroni Erfolg hat, wird sich zeigen, wenn die Vorlage zustande kommt. Der Kampf gegen populäre Anliegen scheint ihm zu liegen. 2014 führte er das Nein-Lager gegen die Pädophilen-Initiative an. Er unterlag – 63,5 Prozent sagten Ja –, doch sein Engagement verschaffte dem Appenzeller Respekt weit über die Parteigrenzen hinaus.