FDP-Präsidentin Petra Gössi
«Wir haben eine falsche Zuwanderung»

Sie verteidigt den Kompromiss zur Masseneinwanderungs-Initiative und will die Zuwanderung in die Sozialwerke stoppen: FDP-Präsidentin Petra Gössi.
Publiziert: 11.09.2016 um 12:48 Uhr
|
Aktualisiert: 11.09.2018 um 15:50 Uhr
Petra Gössi beim Interview.
Foto: Daniel Kellenberger
Interview: Simon Marti und Katia Murmann

Frau Gössi, die Masseneinwanderungs-Initiative soll mit einem «Inländervorrang light», umgesetzt werden. Sie haben sich für diese Lösung starkgemacht. Wie sehr wird die Zuwanderung mit dieser Lösung sinken?
Petra Gössi: Schon allein mit dem Inländervorrang wird die Zuwanderung nach neusten Untersuchungen um 6000 bis 11 000 Personen jährlich abnehmen.

Aber vom Volkswillen bleibt nicht viel übrig.
Das stimmt nicht. Der Volkswille wird respektiert, weil die Zuwanderung mit dem Vorschlag der Kommission abnehmen wird. Zudem hat das Volk mehrmals klar Ja zu den Bilateralen gesagt. Diesen Volkswillen gilt es auch zu respektieren. Genauso wie die Bedürfnisse der Wirtschaft, die auf stabile Verhältnisse angewiesen ist.

FDP-Präsidentin Petra Géssi am 8. September an ihrem Arbeitsort in Zürich.
Foto: Daniel Kellenberger

6000 bis 11 000 Menschen, die weniger einwandern. Ist damit die Masseneinwanderung wirklich gestoppt?
Man darf den Blick auf das Ganze nicht verlieren. Bei der Zuwanderung spielen auch andere Faktoren eine Rolle. Wichtig ist, dass wir eine Lösung ohne Diktat der EU haben. Zudem müssen wir eng beobachten, welche Lösung sich zwischen der EU und Grossbritannien ergibt, falls die Briten das Austrittsgesuch stellen. Und die Verknüpfung der Masseneinwanderungs-Initiative mit dem institutionellen Rahmenabkommen ist nun endlich vom Tisch.

Haben Sie das Gefühl, dass die Bevölkerung hinter dieser Lösung steht?
(Zögert) Ja. Aber wir sind nun in der Pflicht aufzuklären, was die Idee hinter dem Mehrheitsentscheid der Kommission ist.

Führt das nicht dazu, dass die Bevölkerung immer öfter sagt: Die da in Bern machen ohnehin, was sie wollen?
Die Lösungsfindung hat gerade erst begonnen. Es ist wichtig, dass ehrlich politisiert wird und der Bevölkerung kein Sand in die Augen gestreut wird. Dann wird die Politik auch nicht als abgehoben wahrgenommen.

Warum mussten wir zweieinhalb Jahre auf diesen Vorschlag warten?
Wir haben eine Exekutive, die eine Führungsfunktion hat. Ich hätte mich gefreut, wenn im Bundesrat von Anfang an eine klare Stossrichtung erkennbar gewesen wäre. Dann hätte die Kommission diese Aufgabe nicht übernehmen müssen.

Erwarten Sie noch substanzielle Änderungen?
Jetzt hat mal eine Kommission entschieden, aber die politische Diskussion hat gerade erst begonnen. Die Ständeräte werden sicher nochmal über die Bücher gehen. Ziel ist es, bis zum Ende der Wintersession eine Lösung zu haben.

FDP-Ständerat Andrea Caroni sagt, dass der Vorschlag nicht verfassungskonform sei. Was sagen Sie dazu?
Ich habe das zur Kenntnis genommen, da gibt es auch in unserer Fraktion verschiedene Meinungen.

Petra Gössi.
Foto: Daniel Kellenberger

 

Sie haben im Zweifel für die Wirtschaft entschieden.
Ja. Da geht es um die Arbeitsplätze von uns allen! Sonst wandern noch mehr Unternehmen ins Ausland ab. Wir brauchen eine andere Zuwanderung, heute haben wir eine falsche.

Was meinen Sie mit «falscher Zuwanderung»?
Wir beobachten mitunter eine Zuwanderung in die Sozialwerke. Das müssen wir unterbinden. Wir sind alle in der Pflicht. Auch die Wirtschaft! Da kommen Leute aus Drittstaaten, sie arbeiten im Tieflohnbereich. Neun Monate sind sie hier, dann werden sie arbeitslos und bleiben auf Staatskosten in der Schweiz. Das geht nicht. Ihre Aufenthaltsbewilligung darf nicht verlängert werden, der Familiennachzug muss begrenzt werden.

Wie wollen Sie das umsetzen?
Wir müssen klar sagen: Wer Sozialhilfe bekommt, muss gehen. Wer keine Arbeit hat, muss gehen. Da sind neben der Politik auch die Branchen in der Pflicht. Allerdings glaube ich nicht, dass die Zuwanderung in nächster Zeit wieder markant steigen wird. Die Rechtssicherheit in der Schweiz war früher grösser als heute.

Die Schweiz schreckt Ausländer ab?
Zahlreiche Initiativen sorgen dafür, dass sich viele Unternehmen lieber anderswo ansiedeln. So gehen Arbeitsplätze verloren. Wenn jemand die Schweiz nicht kennt, nimmt er sie als weniger freundlich gegenüber Fremden wahr. Das ist die Rückmeldung, die ich von vielen Unternehmen bekomme.

Petra Gössi.
Foto: Daniel Kellenberger

Was ist vom bürgerlichen Schulterschluss übrig geblieben?
In Fragen der Bilateralen Beziehungen haben wir nicht die gleiche Stossrichtung. Das war von Anfang an klar. Aber bei wirtschafts- oder verkehrspolitischen Fragen wie der Unternehmenssteuerreform III oder dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds funktioniert die Zusammenarbeit gut. Vom Begriff des bürgerlichen Schulterschlusses halte ich aber nicht viel.

Diese Bezeichnung haben sich die Bürgerlichen selbst verpasst…
…aber nicht unter den aktuellen Präsidenten.

Die Wirtschaftsverbände und die CVP vertraten bei der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative eine schärfere Linie.
Die CVP übernahm die Position des Arbeitgeberverbandes. Wir haben von Anfang an klargemacht, dass wir nicht für Kontingente sind. Daran halten wir fest. Die FDP ist keine Befehlsempfängerin der Wirtschaftsverbände.

Sie wollen bei den nächsten Wahlen 21 Prozent der Stimmen holen. Wen greifen Sie an?
Unser Mobilisierungspotenzial ist sehr gross. Viele Menschen wollen nach den liberalen Ideen leben. Sie wollen sich nicht von einem nicht greifbaren Staat Vorschriften machen lassen. Mir geht es darum, dass die FDP zweitstärkste Kraft im Land wird. Das gelingt nur, wenn wir wegkommen vom Image der kalten, neoliberalen Partei. Es ist aber eine grosse Herausforderung, gegen ein Bild anzukämpfen, das es in Realität gar nicht mehr gibt.

Petra Gössi

Im April wählten die Freisinnigen Nationalrätin Petra Gössi (SZ) zur Parteipräsidentin. Sie wird dem rechten Flügel der FDP zugerechnet. Doch ihre Ansage bei der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) ist klar: Höchstzahlen sind mit ihr nicht zu machen. Die 40-Jährige Juristin arbeitet als Unternehmensberaterin in Zürich und lebt in Küssnacht am Rigi SZ.

FDP-Präsidentin Petra Gössi.
FDP-Präsidentin Petra Gössi.
Daniel Kellenberger

Im April wählten die Freisinnigen Nationalrätin Petra Gössi (SZ) zur Parteipräsidentin. Sie wird dem rechten Flügel der FDP zugerechnet. Doch ihre Ansage bei der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) ist klar: Höchstzahlen sind mit ihr nicht zu machen. Die 40-Jährige Juristin arbeitet als Unternehmensberaterin in Zürich und lebt in Küssnacht am Rigi SZ.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?