FDP-Präsident Thierry Burkart attackiert Cédric Wermuth
«Die SP-Spitze ist scheinheilig bei der Juso-Initiative»

Der Streit um die Erbschaftssteuer-Initiative spitzt sich zu. FDP-Präsident Thierry Burkart wirft den SP-Chefs vor, sich hinter der Juso zu verstecken. Zudem muss der Bundesrat abklären, ob auswanderungswillige Unternehmer den Schweizer Pass abgeben müssen.
Publiziert: 17.07.2024 um 16:18 Uhr
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Aktualisiert: 18.07.2024 um 14:12 Uhr
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Thierry Burkart (FDP) gegen Cédric Wermuth (SP): Die beiden Aargauer geraten sich wegen der Erbschaftssteuer-Initiative in die Haare.
Foto: Keystone
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Rolf CavalliStv. Chief Content Officer

Das gab es noch nie: eine Volksinitiative, die schwerwiegende Folgen haben könnte, noch bevor über sie abgestimmt wurde. Entsprechend hoch gehen seit Tagen die Wogen.

Das ist passiert: Der Thurgauer Unternehmer Peter Spuhler (65) sagte in der Sonntagszeitung: «Die Juso zwingen mich auszuwandern.» Würde er in der Schweiz bleiben, müsste der Chef von Stadler Rail nach eigenen Angaben Teile seiner Unternehmen verkaufen, würde die Erbschaftssteuer-Initiative der Juso angenommen.

Das will die Juso-Initiative: Wer mehr als 50 Millionen Franken Vermögen vererbt, muss 50 Prozent davon dem Staat abgeben, für eine klimafreundliche Wirtschaft. Was die Initiative zusätzlich brisant macht: Sie soll auch rückwirkend gelten. Heisst: Reiche können nicht erst nach der Abstimmung ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, um ihr Erbe vor dem Steueramt in der Schweiz in Sicherheit zu bringen.

Darum erwägen Spuhler und viele weitere Familienunternehmer, den Wohnsitz rechtzeitig ins Ausland zu verlegen.

Breite Empörungswelle gegen die Initiative

In der Politik kritisieren fast alle die radikale Juso-Initiative. FDP-Präsident Thierry Burkart (48): «Diese Initiative gefährdet unsere Familienunternehmen. Sie zerschlägt das schweizerische Unternehmertum und vertreibt die Unternehmerinnen und Unternehmer, die hier Arbeitsplätze schaffen und ein Grossteil der Steuern bezahlen. Die Zeche bezahlt der Mittelstand – mit höheren Steuern und immer neuen Abgaben.» Sogar in der Mutter-Partei der Juso, stösst die Initiative auf Kritik: «verheerend für die Arbeitsplätze» (Franziska Roth, 58), «über das Ziel hinaus geschossen» (Gabriela Suter, 51).

Die SP-Chefs selber hielten sich bisher auffallend zurück. Nach der ersten Empörungswelle lud Co-Präsidentin Mattea Meyer (36) Spuhler & Co. via «Tages-Anzeiger» ein, an einem Gegenvorschlag zu arbeiten. Auch Co-Präsident Cedric Wermuth (38) deutete in den sozialen Medien an, den «berechtigten Anliegen» der Unternehmer Rechnung zu tragen. Offiziell Stellung genommen zur Juso-Initiative hat Wermuth bisher nicht.

«Das ist keine Juso-Initiative, das ist eine SP-Initiative»

«Die Parteispitze der SP soll hinstehen», fordert nun FDP-Chef Burkart. «Wenn sie sich auf den Standpunkt stellt, dass es sich um eine Initiative der Juso handelt, ist das angesichts der Vertretung im Initiativkomitee scheinheilig.»

Denn die SP-Spitze ist im Komitee der Juso-Initiative prominent vertreten. Allen voran Wermuth und Meyer als Co-Präsidenten der SP Schweiz, aber auch das Co-Präsidium der SP-Bundeshausfraktion mit Samira Marti (30) und Samuel Bendahan (44). Burkart zu Blick: «Es handelt sich nicht um eine Initiative der Juso, sondern um eine Initiative der SP.»

So reagiert die SP Schweiz auf die Vorwürfe

Cédric Wermuth will den Vorwurf der Scheinheiligkeit nicht persönlich kommentieren und verweist auf die Parteizentrale. Diese entgegnet Burkarts Angriff so: «Die SP Schweiz unterstützt die Initiative der Juso für eine soziale Klimapolitik offiziell und ist folgerichtig auch prominent im Initiativkomitee vertreten.» Die SP begrüsse es, dass nun Diskussionen um einen griffigen Gegenvorschlag geführt würden. «Wir laden die FDP dazu ein, sich konstruktiv daran zu beteiligen.»

Nicht rütteln will die SP an der umstrittenen Rückwirkungsklausel. Sie sei mit Blick auf Steuervermeidung ein geeignetes Instrument. Es dürfe nicht sein, dass sich Superreiche direkt nach der Abstimmung mit einem Wohnsitzwechsel dem Volksentscheid entziehen.

Die Volksabstimmung über die «Enteignungsinitiative», wie Burkart sie nennt, findet frühestens 2025 statt. Der FDP-Präsident kündigt aber jetzt schon an, seine Partei werde dann an vorderster Front dagegen antreten.

In der Zwischenzeit rauchen die Köpfe von Juristen. Rechtsgutachten sollen abklären, ob die Rückwirkung der Juso-Initiative überhaupt zulässig ist. Ungeachtet der Resultate ist für Burkart klar, dass für die Zukunft klar definierte Regeln für Volksinitiativen aufgestellt werden müssen. Alleine das Lancieren einer Volksinitiative dürfe nicht bereits vor der Abstimmung eine Wirkung entfalten.

Wird der rote Pass eingezogen?

Unklar ist aber auch, wie rigoros der Staat Reiche daran hindern würde, ihr Erbe ins Ausland zu verlagern. Das steht nämlich nicht in der Initiative. «Um der volkswirtschaftlich schädlichen Phase der Ungewissheit ein Ende zu bereiten, sollte der Bundesrat hier Klarheit schaffen», so FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger (56). In einer Interpellation fragt sie, ob Betroffene eine Wegzugsteuer oder Beschränkung des Kapitalverkehrs befürchten müssten. Sogar die Angst vor einem Entzug des Schweizer Passes geht offenbar um. Schneeberger will wissen, ob solche «extremeren Massnahmen» in Frage kommen.

Der Bundesrat lehnt die Juso-Initiative ab. Zu den heiklen Detailfragen hat er sich bisher nicht geäussert. Bis dahin werden Spuhler und Co. zittern – und an ihren Auswanderplänen weiterschmieden.

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