Das Plumpsklo in der SAC-Hütte, die Flugzeugtoilette, das Zug-WC oder ganz einfach die Toilette im Bad zu Hause: Frauen und Männer benutzen beide diese stillen Örtchen und denken sich nichts dabei.
Am Arbeitsplatz hingegen müssen Waschanlagen, Garderoben und WC-Schüsseln nach Weiblein und Männlein getrennt sein. Und in vielen öffentlichen Bereichen bestimmen die Kantone, wie viele Toiletten es haben muss und welche Personengruppen separate WC-Anlagen benötigen. Ein bürokratischer Wildwuchs, der FDP-Nationalrat Albert Vitali (62) stört.
Der Luzerner reicht deshalb am Freitag einen Vorstoss ein, mit dem er die Einführung von Unisex-Toiletten fordert. Sein wirtschaftsfreundliches Deregulierungs-Vorhaben hat auch einen gesellschaftlichen Aspekt. Es löst nämlich auch das Problem von intersexuellen Personen und Eltern mit gegengeschlechtlichen Kindern, die sich unwohl fühlen, wenn sie sich jeweils für das Damen- oder Herren-WC entscheiden müssen.
Diskussion im Kanton Luzern gab den Anstoss
Vitali bringt aber auch eine Debatte aus seinem Heimatkanton aufs nationale Parkett. Im Luzerner Kantonsrat nämlich hatte SP-Kantonsrat Giorgio Pardini (59) eine Änderung der Gastgewerbe-Verordnung gefordert. Der Grund war, dass Kritik an den neuen Unisex-Toiletten im SP-Stammrestaurant Anker laut wurde (BLICK berichtete). Die gesellschaftlichen Normen bezüglich der Geschlechter hätten sich verändert, fand der Bruder von SP-Nationalrat Corrado Pardini (52).
In Luzern ergab sich eine überparteiliche Allianz: Der SVP-Regierungsrat Paul Winiker (61) nahm den Ball auf. Er brachte eine Lockerung der WC-Vorschriften auf den Weg.
Nationalrat Vitali will die Vorschriften aber auf Bundesebene spülen. Mit seiner Motion möchte er den Bundesrat beauftragen, das Arbeitsgesetz und allfällige weitere Gesetze so zu ändern, dass Unisex-Toilettenanlagen künftig erlaubt sind.
Raumverschleiss und unnötige Kosten
«Die heutigen Bestimmungen passen nicht mehr zu unserer modernen Lebensweise», ist er überzeugt. Es müssten ja nicht gleich römische Latrinen ohne jeden Blickschutz sein. Aber es leuchte ihm nicht ein, weshalb nicht alle die gleichen Toiletten benutzten dürfen. Die heutige Vorschrift verursache nur unnötigen Raumverschleiss und überflüssige Kosten.
Vitali ist überzeugt: «Es reicht doch gesetzlich festzuschreiben, dass die Privatsphäre nutzungsgerecht garantiert sein muss.» Jeder Betrieb könne dann selber festlegen, ob ein stilles Örtchen mit einer abschliessbaren Tür zweckdienlich sei – oder getrennte WC-Anlagen. Letztere könnten etwa auf Autobahnraststätten, wo Pissoirs für Männer stark frequentiert würden, allenfalls Sinn machen, weil sie eine einfachere Reinigung ermöglichen.
Gewerbeverband und Gastrosuisse ziehen mit
Ein Argument gegen Unisex-WC ist die vielleicht grössere Gefahr sexueller Belästigung. Für Vitali ist aber auch dieses nicht stichhaltig: «Für Frauen ist es womöglich sogar sicherer, ein WC in einer gut frequentierten, gemischten Anlage aufzusuchen als irgendein einsames Damen-WC-Häuschen.»
Vitalis Vorstoss fand im Bundeshaus Sympathien über alle Parteigrenzen hinweg – über 70 Nationalräte unterzeichneten die Motion. Auch der Hotellerie- und Gastronomieverband Gastrosuisse und der Schweizerische Gewerbeverband haben sich bereits positiv zu den Unisex-Toiletten geäussert.