BLICK: Frau Moret, sollten Sie am 20. September zur Bundesrätin gewählt werden, fassen Sie das Aussendepartement ins Auge. Warum gerade dieses Ressort?
Isabelle Moret: Wir sind auf gute, internationale Beziehungen angewiesen. Sich dafür einzusetzen und deren Bedeutung der Schweizer Bevölkerung zu vermitteln, halte ich für eine wichtige und spannende Aufgabe.
Noch-Aussenminister Didier Burkhalter schaffte es nicht, eine Mehrheit im Land von einem Rahmenabkommen mit der EU zu überzeugen. Was wollen Sie anders machen?
Tatsächlich scheint ein Rahmenabkommen in der Bevölkerung keine Mehrheit zu finden, auch nicht in der Romandie. Aber das ist nicht der Fehler von Didier Burkhalter, das hat vielfache Gründe. Die Grundstimmung gegenüber Europa ist derzeit mehrheitlich skeptisch. Unsere Beziehung zur EU bedeutet harte Knochenarbeit, und die bin ich bereit zu leisten.
Brauchen wir ein Rahmenabkommen oder müsste eine komplett neue Lösung her?
Diese Frage lässt sich nicht in zwei Sätzen beantworten. Aber wie gesagt, es gibt derzeit keine Mehrheit für ein Rahmenabkommen. Und die Politik muss auf die Bevölkerung hören.
Was ist wichtiger: eine gerechte Vertretung der Geschlechter im Bundesrat oder eine Aufteilung der Posten nach den Regionen des Landes?
Es ist beides wichtig; die Bundesversammlung wird gut abwägen. Noch wichtiger sind Persönlichkeit und Kompetenz und eine positive Dynamik im Gremium Bundesrat.
Sie sagen, dass Sie viel Support aus der Bevölkerung erfahren und viele eine weibliche Kandidatur unterstützen. Wie wichtig ist das Geschlecht bei der anstehenden Wahl?
Es hat in allen Parteien gut qualifizierte Frauen. Aber für sie sind Bundesratswahlen schwierig, besonders für bürgerliche Politikerinnen. Übrigens hat es bislang keine bürgerliche Frau aus der lateinischen Schweiz in die Landesregierung geschafft hat. Ich hoffe aber, dass künftig stets zwei oder drei Frauen im Bundesrat sitzen werden.
Ihnen ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig. Warum scheint in der Politik diese Vereinbarkeit für viele nicht gegeben?
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist zuerst einmal die Sache zwischen Partnern und ihren Kindern. Die Politik kann aber die Rahmenbedingungen verbessern.
Inwiefern?
Mit dem Steuerabzug für Kinderbetreuung zum Beispiel. Heute können Sie pro Jahr 10’000 Franken abziehen. Nur kostet ein Krippenplatz wesentlich mehr. Ich setze mich schon lange dafür ein, diesen Betrag auf über 24’000 Franken zu erhöhen.
Sind Frauen benachteiligt im Streben nach hohen politischen Ämtern?
Nein, auf Gemeinde- und Kantonsebene gibt es viele erfolgreiche Frauen. Interessant ist, dass bei Bunderatswahlen mit einem gemischten Ticket der Mann bessere Wahlchancen hat – zumindest bis jetzt!
Sie haben mit der Bekanntgabe Ihrer Kandidatur lange gezögert. Inwiefern hat dies mit Ihrer familiären Situation zu tun? Sie leben getrennt und sind Mutter zweier Kinder.
Nicht gezögert, aber überlegt. Für mich war schnell klar, dass ich dieses Amt gerne übernehmen würde. Aber um tatsächlich zu kandidieren, müssen doch erst einige Voraussetzungen geklärt sein, ob ich genug Unterstützung habe in meiner Partei und sicher auch in meiner Familie.
Wie organisieren Sie sich privat, sollten Sie gewählt werden?
Wir werden organisiert sein. Mein Mann und ich mussten uns immer sehr gut organisieren, weil wir beide beruflich stark engagiert sind. Und obwohl wir jetzt getrennt leben, kümmert sich der Papa noch immer um seine Kinder.
Sind Sie traurig, wenn Sie nicht mehr ganz so viel Zeit für Ihre Kinder haben werden?
Das ist Privatsache.
Bin ich ein Sexist, wenn ich Ihnen diese Fragen stelle?
Nein, aber ich erwarte, dass Sie diese Frage auch einem männlichen Kandidaten stellen würden.
Warum wurden solche Themen bisher immer tabuisiert? Die Frauen machen sich doch selber das Leben schwer, wenn sie nicht über die Schwierigkeiten sprechen, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen.
Das sind Fragen, die in der Politik wie im Privaten diskutiert werden müssen. Und die Politik muss hier eine positive Rolle spielen, damit diese Fragen gelöst werden. Eben darum habe ich mich politisch immer für die Anliegen der Familien eingesetzt.
Was bringen Sie als Mutter in die Politik ein, was andere nicht einbringen?
Muttersein ist eine Lebenserfahrung. Und es braucht Menschen mit verschiedenen Lebenserfahrungen im Bundesrat. Darum täte eine Mutter dem Bundesrat gut.
Sehen Sie sich als Vorbild, oder gar als Tabubrecherin für eine neue Generation von Frauen?
Nein, so sehe ich mich nicht. Die Schweiz ist im 21. Jahrhundert angekommen und gesellschaftlich offen.
Mit Ihrer Wahl wäre die Romandie nach wie vor mit drei Bundesräten übervertreten.
Ja, ich bin eine Kandidatin aus der Romandie. Aber meine Familie hat eine sehr enge Bindung zur Deutschschweiz. Meine Mutter stammt aus Braggio und ging in Davos zur Schule, mein Vater stammt aus Basel, ist aber im Oberwallis geboren. Er ist zwei- und meine Mutter sogar dreisprachig. Und jedes Jahr im Sommer trifft sich die Familie in Caslano im Tessin.
Isabelle Moret wurde 1970 in Lausanne geboren. Dort studierte sie Rechtswissenschaften und erwarb 1995 das Anwaltspatent. 2006 rückte sie für die Freisinnigen in den Nationalrat nach und wurde dreimal wiedergewählt.
Bis 2016 amtete sie während acht Jahren als Vizepräsidentin der FDP Schweiz. Moret ist Mutter zweier Kinder und lebt in Yens VD.
Isabelle Moret wurde 1970 in Lausanne geboren. Dort studierte sie Rechtswissenschaften und erwarb 1995 das Anwaltspatent. 2006 rückte sie für die Freisinnigen in den Nationalrat nach und wurde dreimal wiedergewählt.
Bis 2016 amtete sie während acht Jahren als Vizepräsidentin der FDP Schweiz. Moret ist Mutter zweier Kinder und lebt in Yens VD.