Schon im Zug nach Le Châble VS diskutieren die SVP-Delegierten die wichtigen Themen. Die drohende Anbindung an die EU, die Zuwanderung, die Ausländer. «Man muss selbst denken, und nicht immer nachplappern, was die in Bern sagen», so eine Delegierte zu ihrem Sitznachbarn.
Die Vorzeichen für die SVP-Delegiertenversammlung waren denkbar schlecht: Es schneite auch im Wallis und die Hälfte der Delegierten traf wegen einer Streckenstörung eine Stunde zu spät in Le Châble nahe dem Skiort Verbier ein, weshalb die Versammlung eine halbe Stunde zu spät begann.
Wer hat so viel Pinke-Pinke?
Doch spätestens, als Parteivater Christoph Blocher zum Ende seiner Rede einen alten deutschen Karnevals-Schlager anstimmte, war die Stimmung wieder bestens: «Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld», sang der Pfarrerssohn, «wer hat so viel Pinke-Pinke, wer hat so viel Geld?» Es ging um die Energiestrategie, gegen die die Partei das Referendum ergriffen hat.
Doch um Strompreise ging es nicht an dieser Parteiversammlung. Es ging eben um die wichtigen Themen. Die drohende Anbindung an die EU, die Zuwanderung, die Unabhängigkeit der Schweiz. Einmal mehr war die Rede vom Verfassungsbruch, von der «unheimlichen Arroganz» von Bundesrat und Parlament. Blocher sprach in seiner Rede gar von einer «teuflischen Boshaftigkeit», mit der in Bern gegen die SVP vorgegangen werde.
2017 sei daher ein Schlüsseljahr für die Unabhängigkeit der Schweiz, so Parteipräsident Albert Rösti. Denn die Totengräber der Schweiz wollten deren Untergang in einem nicht gekannten Ausmass vorantreiben. Blocher versprach: «Wir werden nicht lockerlassen, bis das Ziel erreicht ist.» Und Fraktionschef Adrian Amstutz machte klar, was das Ziel ist: «Eine Schweiz, wo die Schweiz noch Schweiz ist».
Die Personenfreizügigkeit muss weg
Um das zu erreichen, lanciert die SVP nun eine Volksinitiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit. «Es braucht eine Beseitigung des Prinzips, denn die Personenfreizügigkeit schafft so viel Probleme, dass sie für unser Land nicht verkraftbar ist», begründete Rösti vor den Delegierten. Doch die mussten gar nicht überzeugt werden. Die Personenfreizügigkeit soll weg, das war schon vor der Versammlung klar.
Doch diese Initiative ist eine knifflige Sache, wie Blocher erklärte: «Nur mit der Kündigung allein erreichen wir bei der Gesinnung der Politiker in Bern nichts. Die machen nach drei Monaten einfach einen neuen Vertrag. Wir müssen deshalb eine absolute Formulierung finden.»
AUNS wartet ab
In den nächsten Wochen wird daher eine Arbeitsgruppe Varianten für den Initiativtext ausarbeiten, am 24. Juni soll die Delegiertenversammlung sich für eine Version entscheiden. Blocher stellt sich etwas in der Art vor: «Der Schweiz ist es gemäss Verfassung zu verbieten, mit anderen Staaten einen Vertrag über die Personenfreizügigkeit abzuschliessen. Bestehende Verträge sind zu künden.»
Die Aktion für eine neutrale und unabhängige Schweiz (AUNS) stellt ihre eigene Kündigungs-Initiative so lange zurück, wie Vorstandsmitglied Luzi Stamm bestätigt. «Es macht ja keinen Sinn, mit zwei Initiativen in den Kampf zu ziehen.» Die Delegierten stimmten diesem Vorgehen einstimmig mit einer Enthaltung zu.
Klares Nein zu Referendum
Zuvor hatten sie mit ähnlicher Deutlichkeit Nein zum Referendum gegen die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative gesagt. Nenad Stojanovic, der Politologe, der im Alleingang das Referendum ergriffen hat und dieses vor der SVP verteidigte, stiess nicht auf offene Ohren. Obwohl er gute Argumente hatte. Nachdem er sich bedankt hatte, dass die grösste Partei im Land ihn, einen Sozialdemokraten und «Jugo-Tessiner», eingeladen hatte, erklärte er, dass er nicht verstehe, weshalb sich die SVP weigere, das Referendum zu ergreifen, obwohl das Gesetz keines der Anliegen der Initiative – Höchstzahlen, Kontingente und Inländervorrang – nicht einmal erwähne.
«Wenn ein Gesetz landesverräterisch ist, wie Sie sagen, muss man es doch bis zum Schluss bekämpfen», meinte er. Ein Nein dazu sei vielleicht taktisch geschickt, aber es werde in der Bevölkerung nicht verstanden. «Statt im Namen des Volkes zu reden, lassen Sie das Volk sprechen – unterschreiben Sie das Referendum!» forderte er die Delegierten auf.
Der «Bosnier» hatte keine Chance
Doch die Diskussion machte klar, dass das Ansinnen des «linken Herrn Professors» (Amstutz), des «Bosniers» (ein Delegierter), nur als Versuch gewertet wurde, «die SVP in eine Falle locken zu wollen» (Amstutz nochmal). Ans Mikrofon trat vor allem die Parteileitung: Blocher, Amstutz, Vizepräsident Thomas Aeschi. Das zeigte Wirkung: Nur fünf Delegierte sprachen sich zum Schluss für ein Referendum aus, 248 dagegen. Fast kommunistische Verhältnisse, welche die «Kommunisten» von der SP selten erreichen. Auch das eigenständige Denken ist eine knifflige Sache, im Ernstfall folgt man gern den Vordenkern.
In Vietnam sind die Menschen freundlich
So auch bei der erleichterten Einbürgerung der dritten Generation: 228 Delegierte sprachen sich dagegen aus, nur einer dafür. Und knapp 20 Delegierte waren da schon auf dem Heimweg. Denn nachdem die wichtigen Fragen geklärt waren, konnte man ja beruhigt zurück in die «Üsserschwiiz». Im Zug war die Rede dann nicht mehr von der drohenden Anbindung an die EU und den Ausländern. Sondern über die Ferienpläne, die unter anderem in die Süden Vietnams führen. «Weisst Du, da ist es schön und die Menschen sind freundlich.»