Will ein Schweizer, der mit einer Ausländerin verheiratet ist ein Stiefkind oder die Schwiegermutter in die Schweiz holen, dann muss er härtere Kriterien erfüllen als ein in der Schweiz lebender EU-Bürger.
Der Grund: Für EU-Bürger gilt das Freizügigkeitsabkommen, für Schweizer das restriktive Ausländergesetz.
Diese sogenante Inländerdiskriminierung sei ein «unhaltbarer Zustand, der nicht länger vom Gesetzgeber toleriert werden darf», sagte Nationalrat Balthasar Glättli (Grüne/ZH) heute anlässlich der Präsentation eines Berichts der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht.
Wäre Philipp Deutscher und nicht Schweizer...
Ein Beispiel illustriert das Problem.
Da ist der Schweizer Bürger Philipp, der 2005 die Thailänderin Ratana geheiratet hat. Ihre Tochter blieb vorerst in Thailand, hätte vier Jahre später aber ebenfalls in die Schweiz kommen wollen. Das Nachzugsgesuch, das laut Ausländergesetz nur Mutter Ratana stellen konnte, wurde mit der Begründung abgelehnt, die 12-monatige Nachzugsfrist für die 14-Jährige sei abgelaufen.
Brisant: Wäre Philipp nicht Schweizer, sondern zum Beispiel Deutscher, also EU-Bürger, hätte er das Gesuch selbst stellen können. «Und in diesem Fall», heisst es im Bericht, «hätte die Nachzugsfrist keine Rolle gespielt.» Die Stieftochter von Philipp hätte in diesem Fall also in die Schweiz nachziehen können.
Die einen Schwiegermütter habens leichter
Eine ähnliche Diskriminierung herrscht bei Schwiegereltern. EU-Bürger können sich aufs Freizügigkeitsabkommen berufen, das Angehörigen in aufsteigender Linie einen Rechstanspruch auf Familiennachzug verleiht.
Der Schweizer dagegen kann seine ausländische Schwiegermutter nicht einfach so holen wegen dem Ausländergesetz.
Diese Diskriminierung wurde schon vor Bundesgericht kritisiert. Und 2010 hatte SP-Fraktionschef Andy Tschümperlin im Nationalrat einen entsprechenden Vorstoss eingereicht, mit diesem aber keine Mehrheit gefunden.
Gericht setzte sich über Ausländergesetz hinweg
Auf die Sommersession hin seien jetzt weitere Vorstösse geplant, sagt Claudia Dubacher, Geschäftsleiterin der Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht.
Rückenwind erhofft sie sich von einem Urteil des St.Galler Verwaltungsgerichts. Dieses hatte im Juli 2011 erklärt, «dass das erweiterte Nachzugsrecht auch in den Fällen anwendbar sei, in denen die nachzuziehende Person kein Anwensenheitsrecht in einem EU-Staat besitze».