Familie ohne Familienkutsche
In Zürich sind Autobesitzer jetzt in der Minderheit

Sonja Merwar und Jonas Schmid wohnen mit ihren Kindern in einer autofreien Wohnsiedlung in Zürich-Oerlikon. Hier haben die wenigsten Bewohner ein Auto und die Familie ist auch ohne Fahrzeug mobil.
Publiziert: 25.11.2017 um 23:43 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 02:04 Uhr
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Das einzige eigene Auto ist aus Holz. Ganz bewusst verzichtet die Familie auf ein Auto und ist auch so mobil: Jonas Schmid und Sonja Merwar mit Tochter Mara (2) und Sohn Julian (1).
Foto: Siggi Bucher
Cyrill Pinto

Für Sonja Merwar (36) und Jonas Schmid (35) war das eigene Fahrzeug «einfach nie ein Thema», so der Vater. Ganz aufs Auto verzichtet sie nicht. «Praktisch ist ein Auto, wenn wir in die Ferien fahren», sagt Sonja Merwar, «dann leihen wir uns schon mal das meiner Eltern.»

Schweizweit verzichten 22 Prozent auf ein Auto

Wie diese Familie verzichten immer mehr Schweizer auf ein Auto. Die neusten Zahlen des Bundes zeigen: Erstmals liegt der Anteil autofreier Haushalte in den drei grössten Städten Basel, Bern und Zürich bei über 50 Prozent. Zürich ist neu hinzugekommen: Der Anteil autofreier Haushalte stieg auf mehr als die Hälfte – im Jahr 2000 lag er noch bei 42 Prozent, 2010 waren es schon 48. Bern und Basel verzeichnen schon seit einigen Jahren mehr als 50 Prozent.

Das Phänomen ist allerdings auf Grossstädte begrenzt: Schweizweit verzichten lediglich 22 Prozent der Haushalte auf den Autobesitz. Und offenbar existiert auch verkehrstechnisch ein Röstigraben: In Genf und Lausanne sind die autofreien Haushalte in der Minderheit.

Neu auch: In Basel, Bern und Zürich kommen immer mehr Familien ohne Familienkutsche aus. «Während früher die meisten Familien mit dem ersten Kind auch ihr erstes Auto anschafften, verzichten heute immer mehr Familien darauf», wie der Geograf Daniel Baehler (30) herausgefunden hat. Im Rahmen seiner Forschung am Institut für Geografie und Nachhaltigkeit an der Universität Lausanne will er herausfinden, wer in autofreien Wohnsiedlungen lebt und wie die Entscheidung dafür zustande kam – er befragte die Bewohner; SonntagsBlick liegen die Zwischenergebnisse vor.

Auto ist heute kein Statussymbol mehr

Überrascht hat Baehler, dass sich die Gruppe der Umweltbewussten mit Menschen die Waage hält, die aus pragmatischen Gründen auf ein Auto verzichten. «In der Stadt gelangt man zu Fuss, per Velo oder ÖV halt oftmals schneller von A nach B», erklärt er. Gänzlich auf ein Auto verzichten wollten aber auch die Bewohner von autofreien Siedlungen nicht: «Für viele sind Mobilitätsangebote wie Carsharing ein wichtiger Grund für die Wohnungswahl.»

Mobilitätsberater Samuel Bernhard (48) begrüsst es, dass die Bewohner autofreier Siedlungen genau so leben können, wie sie möchten: «Ökologisch – ohne Auto.» Er schätzt, dass in den Städten die Anzahl von Haushalten, die auf das eigene Auto verzichten, auch in Zukunft weiter zunehmen wird.

Ein weiterer Trend, der den Verzicht leichter macht: Für junge Leute sei das Auto heute kein Statussymbol mehr. Bernhard: «Sie konsumieren zwar nicht weniger, aber sie brauchen kein Auto.» Wenn es gelinge, die Anbindung an den öffentlichen Verkehr weiter zu verbessern, werde auch in weniger zentralen Lagen die Tendenz zu einem Leben ohne eigenes Fahrzeug zunehmen.

An diesem regnerischen Samstag startet Familie Merwar-Schmid mit dem Bus zum Brunch; die Haltestelle liegt gleich gegenüber ihrer Siedlung. Am Bahnhof Oerlikon steigen sie aufs Tram und verabschieden sich fröhlich: «Auch ohne Auto sind wir sehr mobil!»

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