Die Schweizer werden immer mobiler: Nur wenige verbringen ihr gesamtes Leben an einem Ort. Dennoch bleiben viele ihrer Herkunftsregion verbunden, wie eine Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo im Auftrag der Swisscom ergeben hat, die BLICK vorliegt.
Eine eigentliche Heimweh-Fraktion sind demnach die Walliser: 50 Prozent von ihnen fühlen sich der alten Heimat auch mehrere Jahre nach einem Wegzug stärker verbunden als dem neuem Wohnkanton. Anders die Aargauer: Nur 15 Prozent der Weggezogenen sehnen sich nach der Rüeblitorten-Heimat.
Eigensinniges Wallis
Auch in der Willkommenskultur gibt es grosse regionale Unterschiede. Hier stechen die Ostschweiz, Basel-Stadt und Genf als gute «Aufnahmegesellschaften» hervor. Wer dorthin zieht, fühlt sich schnell heimisch. In Neuenburg, dem Baselbiet und dem Wallis fällt es Neuzuzügern schwerer, anzukommen.
Das Wallis habe eine besondere Beharrungskraft, kommentiert Sotomo-Chef Michael Hermann: «Man kommt nicht so schnell davon los, aber auch nicht so schnell dort an.» Der Walliser SVP-Staatsrat Oskar Freysinger kann das nur bestätigen: «Bei uns heisst es: Alles oder Nichts. Nur wer sich integriert, also Fendant trinkt, Raclette isst und beim Cupfinal lauter schreit als alle anderen, gehört dazu.» Auch für das grosse Heimweh hat Freysinger eine Erklärung: Die hohe Lebensqualität, mit vielen Sonnensntunden, extremen Landschaften und dem sozialen Zusammenhalt – Freysinger nennt es «Clangesellschaft» – fordere eben ihren Tribut: «Ausserhalb des Wallis fühlen sich viele im Exil.» Auch er selbst sei während seines Studiums in Freiburg jedes Wochenende nach Hause gepilgert.
Familie statt Käse
Doch Heimat, was ist das eigentlich? Wer an Berge, Käse und Dialekt denkt, liegt gemäss der Umfrage falsch: Wichtiger als Landschaften und kulinarische Spezialitäten sind für die meisten Schweizer Familie und Freunde. Wobei ein eigentümlicher Graben das Land teilt: Löst in der Romandie und im Tessin vor allem die Familie Heimatgefühle aus, sind es in der Ostschweiz und im Mittelland Freunde und Bekannte. Das könnte jedoch auch an unterschiedlichen Familiendefinitionen liegen, wie Hermann einschränkt. «Möglicherweise wird Familie in der lateinischen Schweiz als grösseres Netzwerk definiert. In der Deutschschweiz meint man eher die Kernfamilie, die in der Regel mit umzieht.»
Ganz auf die Berge verzichten können die Schweizer nicht. In Graubünden, Glarus und besonders in der Zentralschweiz ist die Landschaft das wichtigste Identifikationsmerkmal für Heimat. Kein Wunder, sagt die Urner Ski-Legende Bernhard Russi. Dort sei die Natur viel näher, die Menschen weniger abgelenkt. «Ich kann den Granit riechen, wenn ich in den Bergen bin», gibt er ein Beispiel.
Basler lieben Fasnacht mehr als Luzerner
Auch Traditionen haben ihren Anteil am Heimatgefühl. Hier hängen ausgerechnet die urbanen Basler die Urkantone ab. Für 45 Prozent der Basler hängt Heimat stark am lokalen Brauchtum – schuld ist die Fasnacht. Den Luzernern sind ihre «rüüdigen» Tage nicht so wichtig, nur 34 Prozent nennen sie als Heimatfaktor.
Basler hängen auch am meisten an ihrem Dialekt: Ganze 52 Prozent verbinden Heimat mit «Baslertiitsch». Auch Ex-Rennfahrerin Christina Surer, die seit drei Jahren in Süddeutschland wohnt. Daheim fühlt sie sich aber nach wie vor am Rheinknie. «Seitdem ich im Ausland lebe, ist Basel für mich noch mehr zur Heimat geworden» sagt sie. «Ich möchte, dass meine Kinder Baslertiitsch verstehen und auch die Fasnacht erleben.»
«Wir denken weniger in Kischees»
Menschen also statt Käse und Berge. Selbst Studienautor Hermann ist überrascht von den Umfrageergebnissen. «Ich hätte gedacht, dass Dialekte und Kulinarik als wichtiger angesehen werden. Doch es sind vor allem persönliche Beziehungen, die Heimat ausmachen» sagt er. Das sei durchaus positiv: «Wir denken offensichtlich weniger in Klischees. Heimat ist nicht, was einen von anderen abgrenzt, sondern, was verbindet.»