Faktencheck am Beispiel Deutschland
Droht die Zweiklassen-Medizin?

Die Gegner der Kostenbremse-Initiative warnen vor einer Zweiklassen-Medizin: Werde die Initiative angenommen, brauche man eine Zusatzversicherung, um schnell einen Termin zu bekommen. Doch stimmt das? Der Faktencheck am Beispiel Deutschland.
Publiziert: 28.05.2024 um 12:19 Uhr
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Aktualisiert: 05.06.2024 um 11:10 Uhr
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Werden Grundversicherte im Wartezimmer versauern?
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Sermîn FakiPolitikchefin

Wartezeiten, Rationierung, Zweiklassenmedizin: Glaubt man den Gegnern der Kostenbremse-Initiative, droht bei deren Annahme das Ende des guten, für alle zugänglichen Schweizer Gesundheitswesens. Sie verweisen auf Grossbritannien, Australien – oder immer wieder Deutschland.

Dort haben die Arztpraxen so etwas wie Globalbudgets: Pro Patient gibt es eine gewisse Summe. Ist die aufgebraucht, erhält die Ärztin weniger Geld für weitere Leistungen. Heisst: Sie verzichtet auf weitere Behandlungen oder legt drauf.

Die Folge laut den Gegnern der Kostenbremse: Patienten, die nicht nur in der Grundversicherung sind, sondern privat versichert (wo es dieses Budget nicht gibt), werden bevorzugt behandelt. Sie müssen weniger lang auf einen Termin oder eine Behandlung warten. Doch stimmt das?

Rund die Hälfte kommt gleich dran

Ruft man in Deutschland bei einem Arzt an, fragt der schon: «Sind Sie gesetzlich oder privat versichert?» Und ja, es gibt Unterschiede. Doch so gross, wie die Gegner der Kostenbremse-Initiative sagen, sind die Unterschiede nicht. Und vor allem stören sie die Patienten kaum.

Das jedenfalls zeigt eine Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Der Dachverband der deutschen Kassenärzte organisiert die ambulante Gesundheitsversorgung und vertritt die Interessen der Vertragsärzte. 

Konkret sagen knapp die Hälfte aller Befragten (46 Prozent), dass sie «sofort» oder innert drei Tagen einen Termin bekommen haben. Weitere 14 Prozent haben bis zu einer Woche gewartet, 12 Prozent bis zu drei Wochen und 14 Prozent über drei Wochen. Und, was in der Schweiz kaum denkbar ist, in Deutschland aber normal: 11 Prozent sind spontan, ganz ohne Termin zum Arzt gegangen. 

Beim Facharzt kommts auf die Versicherung an

Die Wartezeiten sind zudem stark abhängig von der Art der Praxis ab: Während Patientinnen bei Hausärzten auch weiterhin ohne grosse Wartezeiten drankommen, müssen sie sich bei Fachärzten gedulden: Hier warten ganze 47 Prozent länger als drei Wochen auf einen Termin, weitere 20 Prozent zwischen einer und drei Wochen. 

Einen Unterschied zwischen Privat- und gesetzlich Versicherten gibt es gemäss der Umfrage kaum. Lediglich bei der Wartezeit über drei Wochen – die vor allem spezialisierte Fachärzte betrifft – ist die Zahl der gesetzlich Versicherten doppelt so hoch (15 statt 8 Prozent). Und, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung schreibt: Die Unterschiede hätten sich in den vergangenen Jahren eher verkleinert. Mediensprecher Roland Stahl sagt: «Notfälle werden immer behandelt und haben Vorrang, unabhängig von der Art der Versicherung.»

Entsprechend zufrieden sind die Deutschen gemäss der Umfrage, die allerdings aus dem Jahr 2021 stammt: Relativ stabile 80 Prozent verneinen seit Jahren die Frage, ob ihnen die Wartefrist zu lange gedauert hat.

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