Expertin Seyhan Bayraktar erklärt den Krach der Türken mit Europa
Woher kommt dieser Hass?

Der türkische Präsident Erdogan und seine Anhänger schiessen mit scharfen Worten und Gesten in Richtung Europa. Eine Eskalation mit Ansage.
Publiziert: 13.03.2017 um 18:58 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 19:48 Uhr
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Die «AK Gazete» zeigt auf ihrem Portal das Schweizer Kreuz – und ein BLICK-Logo mit Hakenkreuz. Der Nazi-Vergleich wird untermauert mit der Schlagzeile: «Kreuzzug gegen die Türkei!»
Foto: Screenshot
Roman Rey
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bei einer Trauerzeremonie am Grab des unbekannten Soldaten in Moskau am 10. März 2017.
Foto: EPA/Ivan Sekretarev/Pool

Der türkische Präsident packt die Nazi-Keule aus – und wiegelt seine Anhänger nicht nur in der Türkei auf. Nachdem Recep Tayyip Erdogan die Niederländer als Nazi-Nachfahren betitelte, gehen die Wogen hoch: Die Mitglieder der Jugendorganisation seiner Partei AKP stechen in einem symbolischen Akt mit Messern auf Orangen ein, pressen sie aus und trinken den Saft. Schlachtet Oranje!

Nach dem BLICK-Aufruf an Türken in der Schweiz, Erdogans Verfassungsreferendum abzulehnen, fanden Hitzköpfe ein neues Ziel für ihre Aggressionen. Ein türkisches Medium verpasste der Schweizer Flagge ein Hakenkreuz. In den sozialen Medien werden der BLICK und die Schweiz von AKP-Anhängern übel beschimpft.

Grosse Enttäuschung über EU-Politik

Woher kommt die Aggressivität? Seyhan Bayraktar, Soziologin und Türkei-Expertin an der Uni Basel, verweist auf die Vorgeschichte: «Viele Türken sind enttäuscht, weil sie sich von der EU abgelehnt fühlen», sagt Bayraktar zu BLICK. 

Das Verhältnis der Türkei zu Europa ist stark durch die EU-Beitrittsverhandlungen geprägt. Doch die waren trotz Bemühungen der Türkei sehr zäh. Viele Politiker, unter anderem Angela Merkel und Nicolas Sarkozy haben sich gegen einen vollen EU-Beitritt der Türkei eingesetzt.

«Diese Enttäuschung bietet einen fruchtbaren Boden für Erdogans Politik. Seine scharfe Rhetorik findet Anklang», sagt die Expertin.

«Erdogan radikalisiert Auslandtürken»

Im aktuellen Streit fällt vor allem eines auf: Wie sehr Auslandtürken aufgeheizt werden. Maurus Reinkowski, Professor für Islamwissenschaften an der Universität Basel, sagt: «Erdogan radikalisiert die Türken in europäischen Ländern auf eine beunruhigende Art und Weise.»

Die grosse Frage sei nun, wie die Länder damit umgehen. «Der Weg der Deeskalation, den zum Beispiel die deutsche Regierung betreibt, erscheint mir mittlerweile als zu schwachbrüstig», sagt Reinkowski.

Dafür geht die Niederlande voll auf Konfrontationskurs: Nach dem Nazi-Vergleich wird die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya in Rotterdam von der Polizei gehindert, das türkische Konsulat zu betreten. Schliesslich eskortieren sie die Behörden aus dem Land. Ein weiterer Affront für die Regierung in Ankara: Sie zitierte den niederländischen Botschafter zum Gespräch.

Liebe Türkinnen und Türken in der Schweiz

Sie sind aufgerufen, am 16. April über ein Referendum in Ihrem Land abzustimmen, das Ihrem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan diktatorische Machtfülle verleihen würde. Die weltweit rund drei Mil­lionen Auslandstürken, zu ­denen auch Sie gehören, werden über die Reform mitentscheiden. Deshalb tobt auch bei uns ein intensiver Abstimmungskampf.

Die Schweiz ist das freiheitlichste Land der Welt. Bei uns darf jeder seine Meinung äussern, die Regierung kritisieren, sich politisch betätigen, so leben, wie er will – ohne dass sich daraus Nachteile ­ergeben, ohne dass jemand deswegen seine Stelle verliert oder gar verhaftet und gefoltert wird. Und selbstverständlich sind Männer und Frauen, Christen und Nichtchristen, Regierungsanhänger und ­Oppositionelle gleichgestellt.

Diese Freiheiten sind uns heilig – sie machen die Schweiz aus! Wir zwingen ausserhalb ­unserer Landesgrenzen niemandem unsere Werte auf. Wir sagen der Welt nicht, wie sie zu funktionieren hat. Doch wir haben Erwartungen an die Menschen, die bei uns leben wollen – also an Sie, liebe ­Türkinnen und Türken in der Schweiz. Wer hier lebt, hat unsere Werte zu respektieren, muss einstehen für die Freiheiten, von denen er profitiert – gleiche Rechte für alle, ­Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung.

All das soll jetzt in Ihrem Heimatland ausgeschaltet werden. Es ist an den Menschen in der Türkei zu entscheiden, ob sie das wirklich wollen. Für uns Schweizer aber ist es inakzeptabel, wenn jemand hier von Freiheit und Rechtsstaat profitiert und diese gleichzeitig zu Hause abschaffen will. Das geht nicht.

Wer in seinem Heimatland diktatorische Verhältnisse einführen will – bitte schön. Aber dann soll er auch unter ihnen leben.

Deshalb ruft BLICK alle ­Türkinnen und Türken in der Schweiz auf: Stimmen Sie Nein zum Referendum und damit Nein zu einem autoritären System in der Türkei!

Freundliche Grüsse

Ihr BLICK

Sie sind aufgerufen, am 16. April über ein Referendum in Ihrem Land abzustimmen, das Ihrem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan diktatorische Machtfülle verleihen würde. Die weltweit rund drei Mil­lionen Auslandstürken, zu ­denen auch Sie gehören, werden über die Reform mitentscheiden. Deshalb tobt auch bei uns ein intensiver Abstimmungskampf.

Die Schweiz ist das freiheitlichste Land der Welt. Bei uns darf jeder seine Meinung äussern, die Regierung kritisieren, sich politisch betätigen, so leben, wie er will – ohne dass sich daraus Nachteile ­ergeben, ohne dass jemand deswegen seine Stelle verliert oder gar verhaftet und gefoltert wird. Und selbstverständlich sind Männer und Frauen, Christen und Nichtchristen, Regierungsanhänger und ­Oppositionelle gleichgestellt.

Diese Freiheiten sind uns heilig – sie machen die Schweiz aus! Wir zwingen ausserhalb ­unserer Landesgrenzen niemandem unsere Werte auf. Wir sagen der Welt nicht, wie sie zu funktionieren hat. Doch wir haben Erwartungen an die Menschen, die bei uns leben wollen – also an Sie, liebe ­Türkinnen und Türken in der Schweiz. Wer hier lebt, hat unsere Werte zu respektieren, muss einstehen für die Freiheiten, von denen er profitiert – gleiche Rechte für alle, ­Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung.

All das soll jetzt in Ihrem Heimatland ausgeschaltet werden. Es ist an den Menschen in der Türkei zu entscheiden, ob sie das wirklich wollen. Für uns Schweizer aber ist es inakzeptabel, wenn jemand hier von Freiheit und Rechtsstaat profitiert und diese gleichzeitig zu Hause abschaffen will. Das geht nicht.

Wer in seinem Heimatland diktatorische Verhältnisse einführen will – bitte schön. Aber dann soll er auch unter ihnen leben.

Deshalb ruft BLICK alle ­Türkinnen und Türken in der Schweiz auf: Stimmen Sie Nein zum Referendum und damit Nein zu einem autoritären System in der Türkei!

Freundliche Grüsse

Ihr BLICK

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