Herr Estermann, Sie verfolgen die Klimakonferenz vor Ort in Paris. Wie laufen die Verhandlungen?
Aus meiner Sicht sehr gut. Die relvanten Player scheinen gemerkt zu haben, dass wir alle gefordert sind. Sie scheinen begriffen zu haben, dass es ein Abkommen braucht. Es tönt vielleicht abgegriffen, aber es scheint, als hätten wir ein Momentum for Chance – also die für eine Veränderung notwendige Dynamik.
Wie ist die Stimmung?
Es herrscht eine gute Stimmung. Das hat auch damit zu tun, dass wirklich fast alle Länder mitmachen wollen. Inzwischen haben 185 von 196 Länder einen konkreten, verbindlichen Plan eingereicht, wie sie die Klimagase reduzieren wollen. Es herrscht die Überzeugung, dass es mit dem Abkommen klappt.
Wie beurteilen Sie den Schweizer Plan?
Er ist zu bescheiden, wir könnten mehr leisten: Beispielsweise möglichst rasch eine klimaneutrale Schweiz anstreben. Das bedeutet, dass wir im eigenen Land mit Energieeffizienz-Massnahmen und erneuerbaren Energien die fossilen Energien ganz ablösen. Und bis dann alle restlichen Emissionen inklusive denen, die wir im Rest der Welt verantworten, mit internationalen Projekten reduzieren.
Warum sollten wir das tun?
Das dient unserer eigenen wirtschaftlichen Fitness wie auch der positiven Positionierung der Schweiz in unserer Welt. Und ist es auch eine Top-Chance für unsere Exportindustrie. Die Schweizer Wissenschaft und Wirtschaft kann wichtige Beiträge zur global nachhaltigen Entwicklung leisten. Immerhin sind wir mit Knowhow und Technologien im Bereich Cleantech weltweit in der Spitzengruppe so bei Energieeffizienz, Abwasser- und Abfallwirtschaft aber auch wenn es um ökologische Landwirtschaft geht.
Warum müssten wir dann unseren Klima-Plan verbessern?
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt mit dem raschen Verzicht auf Kohlenstoffe weiteren Innovationen für CO2-freie Technologien auszulösen und damit unser Image und unsere Chancen als Exportnation weiter zu verbessern. Zudem reissen all jene, die mit gutem Beispiel vorangehen, andere Länder mit. Wer darin schnell ist, wird die neuen Märkte einfacher erobern. Wenn wir es nicht rechtzeitig packen, sind andere dann halt schneller.
Wer sind unsere Konkurrenten?
Schon im Vorfeld und auch hier in Paris sind die Deutschen extrem aktiv. Das ist auch nachvollziehbar, schliesslich ist Deutschland in fast allen Schlüsselbranchen ebenfalls eine führende Exportnation. Das grosse Engagement der deutschen Regierung im Vorfeld und auch hier an der Konferenz fällt sehr positiv auf. Für die Deutschen ist offensichtlich klar: Der Klimawandel ist eine grosse Herausforderung, aber gleichzeitig auch eine grosse Chance für die eigene Industrie. Ähnlich sehen das die Regierungen in Schweden, Dänemark oder Norwegen. Aber selbst China beeindruckt mit dem Elan einen Ausstieg aus dem zu hohen Umsatz von Kohlenstoff.
Sie ziehen eine bisher positive Bilanz des Gipfels. Schaffen wir die Klimawende?
Unsere weltweite Abhängigkeit von fossilen Energien ist ungesund. Nicht nur fürs Weltklima, sondern auch für den Weltfrieden. Die meisten Klima-Fitnessprogramme, die auf den Einsatz von Cleantech-Technologie setzen, sind gewaltig positive wirtschaftliche Chancen – weg von den fossilen hin zu erneuerbaren Energien und zu mehr Energieeffizienz. Ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen: Im letzten Jahr waren die Investitionen in erneuerbare Energien weltweit erstmals grösser als in fossile Kraftwerke.