Eigentlich ging es bei Emmanuel Macrons dreitägigem Besuch bei US-Präsident Donald Trump um ernste Themen: um den Atom-Deal mit dem Iran, den US-Einsatz in Syrien und den Handelskonflikt mit der EU. Doch statt bei harten Verhandlungen sah man die beiden Staatschefs ständig Händchen halten.
Küsschen hier, Küsschen da – kaum ein Foto zeigt die beiden ohne Körperkontakt. Als würden sie ihre Konflikte einfach wegfummeln. Den Höhepunkt erreicht die Turtelei, als Trump seinem französischen Kollegen eine vermeintliche Schuppe vom Jackett wischt. «Er soll perfekt sein», verkündet Trump den Anwesenden. Denn: «Er ist perfekt.»
«Gibt der eine ein Küsschen, gibt der andere zwei»
Echte Freundschaft? Pures Machtgehabe? Olaf Knellessen, Dozent am Psychoanalytischen Seminar Zürich, amüsiert sich angesichts der seltsamen Szenen: «Wirklich furchtbar witzig!» Die beiden Staatschefs zelebrierten Politik als Männersache und hielten Händchen wie zwei Buben. «Das wirkt wie ein gegenseitiges Hochschaukeln: Gibt der eine ein Küsschen, gibt der andere zwei.»
Mit den Gesten wolle das Duo zeigen, dass es nichts zu befürchten gibt – auch wenn dem nicht so sei. «Der ständige Körperkontakt ist sicher Taktik. Die Franzosen haben ja bekanntermassen nicht das beste Verhältnis zu den Amerikanern, und zwischen Macron und Trump ist es sicher keine ausgesprochene Liebesbeziehung.»
Die Schuppen-Geste offenbart Trumps Blick für Makel
Die Schuppen-Geste sei besonders interessant, findet Knellessen. «Das zeigt, dass Trump schon einen sehr scharfen Blick hat – einen sehr scharfen Blick für Makel.» Die Schuppe stehe für all die Konflikte zwischen Trump und Macron.
Das sieht auch der Verhandlungsexperte Roberto Siano von der ZHAW in Zürich so: «Die Schuppe vom Jackett zu wischen, ist schon eher die Grenze dazu, eine klare Hierarchie herzustellen.» Macron sei damit gut umgegangen. «In Verhandlungen ist das zentrale Element, mit einer Person mitzuschwingen.»
Es gehe dann oft gar nicht in erster Linie um die Sache. «Freundschaftliches Verhalten ist darum auch bei harten Verhandlungen gar nicht überraschend.» Heisst: Je mehr ich eine Person mag, desto zielführender sei das für Verhandlungen. «Wenn ich Ihnen sympathisch bin, bekomme ich Ihr gebrauchtes Velo vermutlich 50 Franken günstiger als jemand anders.»
Wer mit Trump verhandelt, solle sich fragen: «Was will Trump wirklich?» Auch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die Ende Woche zum Arbeitsbesuch nach Washington kommt, rät er, bei Trump nicht auf der Sachebene zu verhandeln: «Sie sollte stattdessen Gemeinsamkeiten hervorheben.»