Der SP-Politiker Tim Guldimann (67) tritt als Nationalrat zurück. Seine Nachfolge ist bereits klar: Ex-Juso-Chef Fabian Molina (27) übernimmt Guldimanns Sitz. Molina arbeitet beim Hilfswerk Swissaid, sitzt im Zürcher Kantonsrat und studiert nebenbei. Im BLICK-Interview erklärt der SP-Jungspund, was er in Bundesbern nun vorhat.
BLICK: Herr Molina, Sie rücken schon im Frühling für Tim Guldimann in den Nationalrat nach. Das ging ja schneller als erwartet.
Fabian Molina: Ja, das kommt für mich sehr überraschend. Ich muss mein Leben nun neu organisieren. Nach dem ersten Schock freue ich mich aber auf dieses Amt und hoffe, dass ich dieser grossen Verantwortung gerecht werde.
Als Ex-Juso-Chef war bei Ihnen Provokation Programm. Gilt das auch in Bundesbern?
Provokation ist in der Politik ein wichtiges Mittel, aber kein Selbstzweck. Mit Provokation macht man auf wichtige Anliegen aufmerksam. Als Nationalrat werde ich dieses Mittel sicher weniger brauchen als als Juso-Chef. Im Parlament muss man Allianzen schmieden und Kompromisse eingehen, um Mehrheiten zu finden.
Oje, Sie tönen bereits wie ein braver, altgedienter Politiker.
Als Nationalrat habe ich eine andere Rolle. Da kann man sachlich auf seine Anliegen aufmerksam machen. Wenn nötig, werde ich aber auf Provokationen nicht verzichten.
Was auffällt: Im Moment prägt ein gehässiger Stil die Jungparteien. War das bei Ihnen als Juso-Chef auch schon so?
Natürlich gab es harte Attacken gegen mich. Aber die politische Auseinandersetzung hat gerade zwischen den Jungparteien nochmals an Schärfe gewonnen. Das hat leider auch damit zu tun, dass meine Nachfolgerin Tamara Funiciello eine Frau ist. Sie wird auf ganz anderer, persönlicher Ebene angegriffen, weil sie ein Frau ist. Aus purem Sexismus. Da tut sich besonders die Junge SVP hervor.
Mit Ihnen kommt nach Cédric Wermuth erneut ein Ex-Juso-Chef ins Bundesparlament. Ist das Präsidium bloss ein Sprungbrett für höhere Weihen?
Man übernimmt das Präsidium ja, weil einem die Juso am Herzen liegt, weil man die Politik gestalten will. Aber es ist ja auch klar, dass man sich grundsätzlich für Politik und politische Ämter interessiert. Es ist aber nicht einfach ein Sprungbrett – am Schluss muss sich jeder gegenüber der Wählerschaft beweisen wie alle anderen auch.
Mit Tim Guldimann verlässt ein ausgesprochener Pro-Europäer die Politbühne. Wo stehen Sie in der EU-Frage?
Inhaltlich haben wir da keine Differenzen. Die Schweiz sollte der EU beitreten – besser heute als morgen.
Mit Ihnen wird die SP wieder linker. Guldimann gehört der Reform-SP an, da wird man Sie kaum finden.
Das ist für mich nicht vorstellbar. Ich finde es aber gut, dass sich die Leute am rechten Rand der Partei einbringen und damit die ganze Breite sichtbar machen. Aber ich bin klar der Auffassung, dass es die Aufgabe der Sozialdemokratie ist, die Schweiz und die Welt zu verändern. Wenn die SP diesen Anspruch nicht mehr hat, braucht es sie nicht mehr.
Mit welchen Themen wollen Sie in Bundesbern punkten?
Ich arbeite bei Swissaid. Da gehören für mich die internationale Solidarität, die Machtbeziehungen zwischen Nord und Süd oder gerechte Handelsstrukturen zu den drängenden Fragen. Da will ich ansetzen und den Fokus über den Tellerrand der Schweiz hinaus erweitern. Heute herrschen grosse Ungerechtigkeit und Ungleichheit, das muss sich ändern. Aber natürlich hängen meine politischen Schwerpunkte auch davon ab, in welche Kommission ich komme.
Mit Guldimanns Abgang wird der Sitz in der Aussenpolitischen Kommission (APK) frei. Wäre das nicht ideal für Sie?
Ich würde sehr gerne in der APK mitarbeiten. Aber ich nehme auch gerne jede andere Kommission.
Den Job bei Swissaid behalten Sie?
Vorläufig bestimmt.
Oder werden Sie bald zum Berufspolitiker?
Daran gibt es nichts Anrüchiges. Politik ist eine wichtige Angelegenheit. Aber so jung, wie ich bin, sollte man nicht alles auf die Karte Politik setzen. Politik ist nicht planbar, wie jetzt das rasche Nachrutschen zeigt.
Sie sind erst seit einem halben Jahr Kantonsrat. Geben Sie das Amt ab?
Ich bin kein Fan von Doppelmandaten, deshalb werde ich das Amt abgeben. Den genauen Zeitpunkt werde ich aber noch mit meiner Partei absprechen.
Im Kantonsrat dauerte es drei Stunden bis zu Ihrem ersten Auftritt am Rednerpult. Werden Sie in Bundesbern ebenso forsch einstiegen?
Das war nicht geplant und ist auch für Bundesbern nicht geplant. Ich habe damals einen Vorstoss meiner Vorgängerin übernommen, der just am ersten Sitzungstag traktandiert war.
Haben Sie schon eine Idee für einen ersten Vorstoss in Bern?
Ich habe schon einige Ideen. Aber noch nichts Spruchreifes.