Das Schicksal von Zenash* bewegt. Die junge Äthiopierin, die kaum volljährig sein dürfte, arbeitete mehrere Jahre lang unter sklavenähnlichen Bedingungen bei einer Familie in Saudi-Arabien. Als die Familie Anfang Jahr Ferien in Genf machte, packte das Hausmädchen seine Chance. Zenash floh – und stellte ein Asylgesuch in der Schweiz.
Die Behörden aber wollen der Äthiopierin nicht helfen. Stattdessen soll sie auf Grundlage des Dublin-Abkommens nach Frankreich ausgewiesen werden. Die Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration FIZ kritisiert dies scharf, wie BLICK gestern berichtete.
Es gibt noch viele Baustellen
Mit der Kritik ist die Fachstelle nicht allein. Auch das Expertengremium für Menschenhandel des Europarats ist in vieler Hinsicht unzufrieden, was den Kampf der Schweiz gegen moderne Sklaverei anbelangt. Das geht aus einem heute veröffentlichten Bericht hervor.
Zuletzt wurde die Situation in der Schweiz 2015 unter die Lupe genommen. Seither habe sich in vielen Bereichen zu wenig getan, findet der Europarat. Ein Kritikpunkt: die mangelnde Hilfe für Personen, die im Ausland ausgebeutet wurden, aber jetzt in der Schweiz sind. Zwar seien mehrere Arbeitsgruppen eingesetzt worden, um herauszufinden, wie die Betroffenen besser geschützt werden können. «Aber», hält der Bericht fest, «bisher wurde wenig Fortschritt erzielt».
Starre Dublin-Anwendung in der Kritik
Zudem stellt der Europarat die sture Anwendung der Dublin-Verordnung auch bei mutmasslichen Menschenhandel-Opfern infrage. Denn die Anwendung des Verfahrens bei diesen Personen laufe «der Verpflichtung zuwider, solche Opfer zu unterstützen und schützen».
Auch müsse die Schweiz noch mehr Effort leisten, um die Opfer von Menschenhandel überhaupt erst zu identifizieren. Weiter wird die Schweiz angehalten, insbesondere bei Kindern genauer hinzuschauen. Viele der Punkte hat der Europarat schon beim letzten Bericht 2015 kritisiert.
Der Bund lässt die Kritik in vielen Teilen kalt. Was die bessere Identifikation von Opfern betrifft, ist er der Überzeugung, schon auf dem richtigen Weg zu sein. Auf das kritisierte Vorgehen bei Dublin-Fällen geht die Schweiz in ihrer Stellungnahme gar nicht ein.
Zenash ist verschwunden
Im Fall der Äthiopierin Zenash ist dabei genau das der Knackpunkt. Vergangene Woche hätte sie nach Frankreich gebracht werden sollen, auch wenn sie selbst noch nie in diesem Land war. Grund dafür ist, dass ihre Peiniger über das Nachbarland ein Visum für das Hausmädchen organisiert hatten.
Doch Zenash wehrte sich: Am Tag der geplanten Ausschaffung tauchte sie unter. Bisher gibt es kein Lebenszeichen von ihr.
* Name geändert