Europarat – nur SP bewegt sich
Schweiz drohen wegen Männerdelegation Sanktionen

Jetzt sollen dank der SP zwei Frauen nach Strassburg entsandt werden. Die bürgerlichen Parteien foutieren sich aber weiterhin um die Europarats-Regeln. Dabei warnt ein internes Schreiben an die höchste Schweizerin vor Konsequenzen.
Publiziert: 19.12.2019 um 15:30 Uhr
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Die Waadtländer Nationalrätin Ada Marra ist von der SP für Strassburg nachnominiert worden.
Foto: Keystone
Lea Hartmann und Pascal Tischhauser

Die Warnung an die Adresse von Nationalratspräsidentin Isabelle Moret (48, FDP) ist klar. Der Schweiz drohen Sanktionen, wenn die bürgerlichen Parteien sich nicht bewegen und doch noch Frauen in den Europarat entsenden. Das zeigt ein internes Schreiben vom Montag, das BLICK vorliegt.

An Ausreden mangelts den Fraktionsbossen nicht, weshalb sie für die zwölf Sitze in Strassburg (F) elf Männer vorgeschlagen haben, wie BLICK Anfang Woche publik machte. Nur die Grünen nominierten mit Sibel Arslan (39) eine Frau. Diese Frauenquote verstösst gegen das Reglement der internationalen Organisation. Es verlangt für die Länderdelegationen einen mindestens gleich hohen Frauenanteil wie im jeweiligen Parlament.

SP ersetzt Molina durch eine Frau

Eine «Panne», behauptete SP-Fraktionschef Roger Nordmann (46) vor Tagen. Man habe halt nicht gewusst, wen die anderen Fraktionen vorschlagen würden. Immerhin: Nach dem Bericht von BLICK ist zumindest die SP über die Bücher gegangen: Nationalrat Fabian Molina (29) verzichtet aufs Amt. Am Dienstag haben die Genossen an seiner Stelle die Waadtländerin Ada Marra (46) nachnominiert, wie BLICK weiss.

Mit zwei Frauen und zehn Männern ist das Geschlechterverhältnis aber noch immer weit weg von den Vorgaben des Europarats. Auch so gehört die Schweiz noch zu den Schlusslichtern unter den 47 Europarats-Staaten.

Fraktionen waren vorgewarnt

FDP und CVP versuchten sich mit dem Argument aus der Affäre zu ziehen, in der Vergangenheit schon eine Frau gestellt zu haben. Auch die SVP bewegt sich weiterhin nicht. Die Fraktionschefs haben ihre Mitglieder schon auf die verschiedenen Kommissionen sowie die Europaratsdelegation verteilt. Es ist ihnen offensichtlich zu umständlich, die Aufteilung nochmals abzuändern.

Dabei wussten die Fraktionsspitzen um die Strassburger Vorgaben. Sie waren explizit vorgewarnt worden: Im Jahresbericht 2018, der jeweils ans Parlament geht, sprach die Europaratsdelegation das Gleichstellungsproblem klipp und klar an.

Schon drei Frauen waren zu wenig

Zu diesem Zeitpunkt bestand die Schweizer Delegation noch aus drei Frauen und neun Männern – ein Frauenanteil von 25 Prozent. Das war damals schon weniger, als das Ratsreglement fordert. Kommt hinzu, dass sich der Europarat vor einigen Jahren zusätzlich das ambitionierte Ziel gesetzt hat, mindestens einen Frauenanteil von 40 Prozent zu erreichen.

Die Europaratsdelegation sprach dem Schweizer Parlament ins Gewissen: Die Fraktionen müssten Anfang nächster Legislatur «bei der Bestimmung ihrer Mitglieder für die Europaratsdelegation ein besonderes Augenmerk» auf die Frage der Gleichstellung richten – mit dem Ziel, «eine Verbesserung der Zusammensetzung der Delegation» zu erreichen.

Doch der Appell verhallte im Bundeshaus. Darum doppeln die Strassburg-Gesandten jetzt nach und wiederholen ihre Warnung im internen Schreiben an Nationalratspräsidentin Moret. Hatte das Delegationssekretariat das Problem gegen aussen noch herunterzuspielen versucht, schlägt es im Brief nun Alarm. Es macht klar, womit die Schweiz rechnen muss: Ihr könnte das Stimmrecht im Europarat entzogen werden! Mindestens zehn Europarats-Abgeordnete aus fünf Ländern müssten dafür Einsprache erheben.

Andere Länder wurden schon bestraft

Gegen andere Staaten sind tatsächlich schon Sanktionen verhängt worden. So hat zum Beispiel die Slowakei 2017 das Stimmrecht vorübergehend verloren, weil sie nur Männer nach Strassburg schicken wollte. Damit haben sie die absolute Mindestforderung des Europarats nicht erreicht, mindestens eine ständige Vertreterin zu ernennen.

Jede Länder-Delegation besteht aus ständigen Vertretern und der gleichen Anzahl Stellvertretern. Doch auch wenn die Schweiz diese Mindestforderung erfüllt und Arslan oder Marra zur ständigen Vertreterin macht, können Sanktionen drohen. Denn Gleichstellung ist im Europarat ein wichtiges Thema. Nicht zuletzt seit die ehemalige Genfer SP-Ständerätin Liliane Maury Pasquier (63) den Rat präsidiert.

Zudem laufen in Strassburg Diskussionen, die Regeln so abzuändern, dass bei Verstössen gegen die Frauenquote rascher Strafen verhängt werden können. Doch Sanktionen hin oder her – das internationale Ansehen der Schweiz droht durch die Verweigerungshaltung der bürgerlichen Parteien Schaden zu nehmen.

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