Am 28. Februar stimmen wir über die Durchsetzungs-Initiative ab. Sie beraten Unternehmen und Investoren über politische Entwicklungen. Sind Ihre Kunden besorgt über diese Initiative?
Thomas Schäubli: Schauen Sie, bei der Durchsetzungs-Initiative geht es ja nicht einfach darum, wie mit straffälligen Ausländern umgegangen werden soll. Es geht auch um rechtsstaatliche Prinzipien wie die Verhältnismässigkeit und die Gewaltenteilung. Ich beobachte, dass die Schweiz mit solchen Diskussionen an Attraktivität verliert. Neben der politischen Stabilität kommt nun auch die Rechtssicherheit unter Druck. Die Initiative stärkt damit ein diffuses Unbehagen bei Investoren und Unternehmern bezüglich der Zukunft der Schweiz.
Diffuses Unbehagen? Was meinen Sie damit?
Wer in der Schweiz investieren oder ein Unternehmen betreiben will, muss sich gut überlegen, in welche Richtung sich dieses Land entwickelt. Am Schluss kann man das nie wirklich wissen, also muss man darauf vertrauen, dass schon alles gut kommt. Genau dieses Vertrauen verspielen wir uns aber derzeit. Und es bleibt ja nicht dabei.
Inwiefern?
Wir argumentieren schon lange, dass der bilaterale Weg zu scheitern droht. In den letzten Wochen hat es teilweise so ausgesehen, als ob die Schweiz und die EU sich doch auf eine Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative einigen könnten. Diese Fortschritte würden bei einem Ja zur Durchsetzungs-Initiative wohl gleich wieder zunichtegemacht.
Wieso verstösst die Ausschaffung von EU-Bürgern gegen die Personenfreizügigkeit?
Im Kern verlangt das Personenfreizügigkeitsabkommen vor der Ausschaffung von EU-Ausländern eine Einzelfallprüfung. Dabei muss eine Ausschaffung verhältnismässig sein und im öffentlichen Interesse liegen, weshalb EU-Ausländer beispielsweise auch nicht wegen Bagatelldelikten ausgeschafft werden dürfen. Das alles wäre nach einer Annahme der Durchsetzungs-Initiative nicht mehr gegeben.
Und das würde dann zu einem Problem für die Bilateralen werden?
Klar, es könnte dann ganz rasch konkret werden. Im Raser-Fall von Schönenwerd hat das Bundesgericht entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Ausschaffung nicht gegeben seien. Nach Annahme der Durchsetzungs-Initiative hätte die Ausschaffung wohl ohne Einzelfallprüfung durchgesetzt werden müssen. Damit hätte die Schweiz die Bestimmungen des Personenfreizügigkeitsabkommens direkt verletzt. Wir hätten dann einen weiteren Streitpunkt mit der EU und an eine Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative wäre gar nicht mehr zu denken.
Um hier den Fokus wieder zu öffnen: Was bedeuten diese Diskussionen für die Wahrnehmung der Schweiz?
Der politische Ausgleich und die Rechtssicherheit sind Teil des wirtschaftlichen Erfolgs der Schweiz. Uns bereitet die zunehmende Polarisierung und Radikalisierung der Schweizer Politik deshalb grosse Sorgen. Dazu gehören auch Volksinitiativen wie die Durchsetzungs-Initiative. Langfristig setzen wir mit diesen Entwicklungen das Erfolgsmodell Schweiz und damit unseren Wohlstand aufs Spiel.