EuGH, Efta-Gerichtshof oder Schiedsgericht?
Neue Offenheit bei den «fremden Richtern»

Bei der umstrittensten Frage des geplanten Rahmenabkommens macht Brüssel einen Schritt auf Bern zu: Neu wird auch verhandelt, ob der Efta-Gerichtshof allfällige Streitereien klären soll. BLICK erklärt, was das bedeutet.
Publiziert: 26.11.2017 um 20:06 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:47 Uhr
Vor dem offiziellen Besuch des EU-Kommissionspräsidenten trafen sich Jean-Claude Juncker und Bundespräsidentin Doris Leuthard und besprachen Alternativen zu den «fremden Richtern».
Foto: Reuters/Stefan Wermuth
Sermîn Faki

Sie sind die grosse Knacknuss beim Verhandlungspoker zwischen der Schweiz und der EU: die «fremden Richter».

Bislang schlug der Bundesrat vor, dass im Rahmenabkommen festgehalten wird, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) zum Zug kommt, wenn zwischen Bern und Brüssel Streit darüber entflammt, wie das Recht der bilateralen Verträge ausgelegt werden muss.

Nun, so berichtet heute die «Sonntagszeitung», hat Bundespräsidentin Doris Leuthard (54) mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (62) vereinbart, dass auch eine andere Lösung verhandelt werden soll: Statt dem EuGH soll das Gericht der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) als Schlichtungsinstanz fungieren.

EuGH? Efta-Gerichtshof? Was ist das eigentlich? Und was sind die Unterschiede zwischen beiden Institutionen? BLICK erklärts.

Der EuGH

Der EuGH mit Sitz in Luxemburg ist das oberste rechtsprechende Organ der EU. Er sichert «die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge». Jeder EU-Mitgliedsstaat stellt einen Richter. Die Schweiz hat daher keinen Vertreter – und würde auch keinen bekommen, wenn der EuGH gemäss Rahmenabkommen über das bilaterale Recht entscheiden würde.

«Fremde Richter», finden SVP, aber auch CVP. Selbst in der FDP gibt es kritische Stimmen. Die Schweizer Stimmbevölkerung würde wohl niemals Ja zu einer solchen Lösung sagen. Selbst wenn der Bundesrat noch so oft sagt, dass der EuGH nur ein Gutachten abgeben soll und das Bundesgericht oder eine politische Behörde wie der Gemischte Ausschuss letztlich entscheiden würde. Doch: Ob der EuGH dazu bereit ist, ist fraglich.

Der Efta-Gerichtshof

Der Gerichtshof der Europäischen Freihandelsassoziation (Efta) wurde 1994 von der Europäischen Union nach dem Beitritt der drei Efta-Mitgliedstaaten Norwegen, Island und Liechtenstein zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) errichtet, um die einheitliche Anwendung des EU-Rechts in diesen drei Staaten zu sichern. Er hat ebenso wie der EuGH seinen Sitz in Luxemburg und besteht aus drei Richtern – jeweils einer aus jedem Land.

Der Efta-Gerichtshof ist zuständig für

  • Klagen wegen des die Efta-Staaten betreffenden Überwachungsverfahrens
  • Rechtsmittel gegen Entscheide der Efta-Überwachungsbehörde in Wettbewerbssachen
  • die Beilegung von Streitigkeiten zwischen zwei oder mehr Efta-Staaten

Der letzte Punkt ist besonders interessant: Denn der Efta-Gerichtshof befasst sich schon heute mit genau jenen Konflikten, für die das Rahmenabkommen eine Schlichtungsinstanz sucht.

Die Schweiz ist ebenfalls Efta-Mitglied, hat am Efta-Gerichtshof aber keinen Richter. Zwar ist Gerichtspräsident Carl Baudenbacher (70) Schweizer. Er ist aber von Liechtenstein entsandt worden. Würde das Rahmenabkommen den Efta-Gerichtshof zur Instanz bei Streit vorsehen, könnte die Schweiz wohl einen Richter stellen. 

Die CVP weibelt schon seit Jahren für diese Lösung. Daher erstaunt es nicht, dass CVP-Bundespräsidentin Leuthard diese Variante neu ins Spiel gebracht hat. Doch es gibt auch Kritiker: Sie sagen, dass ein Urteil des Efta-Gerichtshofs für die Schweiz bindend wäre, eines des EuGHs aber nicht. 

Ein Schiedsgericht

Spricht sich für ein Rahmenabkommen aus: FDP-Chefin Petra Gössi, hier im Gespräch mit Neo-Aussenminister Ignazio Cassis.
Foto: KEYSTONE/PETER SCHNEIDER

Daher gibt es auch Stimmen, die ein ganz neues, paritätisch zusammengesetztes Schiedsgericht wollen. Eine davon ist FDP-Präsidentin Petra Gössi (41). In einem Interview mit der «Zentralschweiz am Sonntag» verweist sie auf die Freihandelsabkommen, wo es jeweils Schiedsgerichte gibt. «Ich sehe keinen Grund, weshalb eine solche Lösung mit der EU nicht funktionieren sollte.»

Auch der Wirtschaftsverband Economiesuisse verlangt eine Lösung über ein Schiedsgericht. Ganz herumkommen wird man mit dieser Lösung aber nicht am verhassten EuGH: Nur der darf nämlich Binnenmarktrecht – und genau darum geht es in den bilateralen Verträgen – auslegen. 

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