Niemand aus dem Bundesrat will sagen, was genau die Mission von Guy Parmelin (61) ist. Am wenigsten der Bundespräsident selbst, der am Freitag zu EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (62) reist. Als das Westschweizer Fernsehen RTS ihn danach fragte, sagte Parmelin, vor einem Hühnerhof stehend, zurück: «Haben Sie noch eine Frage zu Poulets?»
Klar ist aber: Eine Einigung beim Rahmenabkommen ist mehr als schwierig, ja fast aussichtslos. Nicht einmal die Parteispitzen wollen wissen, mit welchem Plan der Bundespräsident reist. Das Verhandlungsumfeld kolportiert jedoch, Parmelin gehe mit dem bundesrätlichen Willen, tatsächlich zu verhandeln – und zwar über den Freitag hinaus.
Fix ist der Flugplan
Was genau die Schweiz der EU in den drei strittigen Punkten – bei den staatlichen Beihilfen, beim Lohnschutz und bei der Unionsbürgerrichtlinie, die EU-Bürgern einen rascheren Zugang zu unserem Sozialsystem erlauben würde – unterbreitet, ist aber unklar. Möglich, dass Bern verlangt, die Richtlinie zehn Jahre lang auszuschliessen, wofür man die Auszahlung – einer allenfalls aufgestockten – Kohäsionsmilliarde anbietet und die rasche Gleichbehandlung aller 27 EU-Staaten garantiert.
Fix jedenfalls ist der Reiseplan: Um 10 Uhr ist Parmelin in Brüssel, um
15 Uhr wieder in Bern. Dann kommt es möglicherweise zu einer ausserordentlichen Bundesratssitzung. Um 17 Uhr soll die Öffentlichkeit informiert werden – eventuell nur darüber, dass man weiter verhandle.
Auch unsere EU-Nachbarn seien an Weiterverhandlungen mit uns interessiert, lässt Brüssel verlauten. Probleme bereiteten die Oststaaten, heisst es. Andere sagen, das stimme so nicht. Es seien vielmehr süddeutsche Regionen, die sich am Schweizer Lohnschutz stören.
Schweiz hält Eintrittsgeld zurück
Was jedoch stimmt: Dass die Schweiz am EU-Binnenmarkt teilnimmt, mit der Kohäsionsmilliarde aber den Eintrittspreis zurückhält, stört den Osten. Denn dieses Geld wäre just für Entwicklungsprojekte in Ost- und Mitteleuropa vorgesehen.
Zudem diskriminiert die Schweiz die Oststaaten: Bürger der 13 «neuen» EU-Länder aus Ost- und Südosteuropa erhalten erst nach zehn Jahren eine unbefristete Niederlassungsbewilligung in unserem Land, Deutsche und Franzosen schon nach fünf.
Darauf angesprochen, sagt die tschechische Botschafterin in Bern, Katerina Fialkova, ihre Erwartung sei, dass die Schweiz «fair und nicht diskriminierend» entscheide und das Prinzip der Gegenseitigkeit respektiere. Schliesslich können sich Schweizer in Tschechien bereits nach fünf Jahren niederlassen.
Gleichzeitig dämpft Fialkova allzu viel Hoffnung: Kleinere Entgegenkommen der Schweiz dürften laut ihr kaum reichen, um grosse Zugeständnisse beim Rahmenabkommen zu erhalten. Ähnliche Signale kommen von der polnischen Botschaft.
Ein Ass im Ärmel?
Parmelin wird daher kaum mit leeren Händen zu Ursula von der Leyen fliegen. Mit der Gleichstellung aller Mitgliedsstaaten und der Kohäsionsmilliarde in der Tasche dürften die Verhandlungen jedenfalls besser laufen. Eventuell hat Parmelin aber noch ein Ass im Ärmel. Oder ein Poulet.