EU-Gegner Urs Wietlisbach
«Hey Jungs, wir müssen was dagegen tun»

Urs Wietlisbach erzählt, wie er politisiert wurde und sich zum Gegner des EU-Pakets entwickelt hat. Jetzt sammelt der Milliardär persönlich Unterschriften.
Publiziert: 18.01.2025 um 17:25 Uhr
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Aktualisiert: 18.01.2025 um 17:58 Uhr
Urs Wietlisbach ist einer der Mitgründer der Partners Group. Nun kämpft er gegen die EU.
Foto: Philippe Rossier

Auf einen Blick

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Andreas Valda und Markus Diem Meier
Handelszeitung

Urs Wietlisbach kommt ohne PR-Leute aus. Zum Interview erscheint er allein und ohne die Allüren vermögender Menschen. Die High Society kennt er und animiert sie zum Spenden – aber er brauche sie nicht, so der Multimilliardär.

Seine Stirn legt sich in Falten, wenn es um EU-Themen geht. Sein Gesicht hellt sich auf, wenn er zum Investment seines Wohltätigkeitsfonds befragt wird. Gerne erzählt er, warum er die Alternativmedizin fördert, die keine Lobby habe, weil wenig daran zu verdienen sei. Zu US-Milliardären geht er auf Distanz, Social Media wie X braucht er nicht. Er ist sich nicht zu schade, etwa in Sursee persönlich Unterschriften für sein politisches Anliegen zu sammeln, wie aus dem Gespräch hervorgeht.

Was halten Sie von Elon Musk?
Urs Wietlisbach:
Eine spannende Person, die nicht greifbar ist.

Nicht greifbar?
Seine Angriffe haben keine erkennbare Logik. Früher war er Demokrat, jetzt ist er Republikaner. Man weiss nicht, wo er steht. Deshalb spannt er wohl mit Donald Trump zusammen. Als Unternehmer ist er aber sehr erfolgreich.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Auch Sie sind als Unternehmer sehr erfolgreich. Musk gibt Ländern politisch Ratschläge. Würden Sie etwa den Briten Ratschläge erteilen?
Nein, das würde ich nie tun.

Musk lancierte auch eine Debatte über die Zuwanderung in die USA. Dabei stand er im Widerspruch zu Teilen der Trump-Bewegung. Er sagte, dass es wichtig sei, dass die USA Fachkräfte weiter einwandern lassen. Wie sehen Sie das?
Musk hat recht. Als erfolgreiches Land muss man die Grenzen für gute Leute offenlassen. Problematisch für ein Land sind die Wirtschaftsflüchtlinge. Für die hat es irgendwann einmal keinen Platz mehr.

1996 gründete Urs Wietlisbach mit zwei Partnern die Partners Group in Baar.
Foto: Christian Schnur

Sie sind selbst vor sechs Jahren in die Politik eingestiegen. Wie kam das?
Ich war einer dieser vielen Schweizer Unternehmer, die lange fanden, es brauche ein Rahmenabkommen mit der EU, um das institutionelle Verhältnis zu regeln. Sie kennen die Argumente von Economiesuisse: Die Schweiz sei in der Mitte Europas und brauche diese Annäherung. Das glaubte ich damals auch. Doch dann heiratete ich in eine SVP-Familie ein …

Sie sprechen von der Familie Ihrer Frau Simone Wietlisbach?
Ja. Sie ist eines von fünf Geschwistern, ihr Vater gründete die Luzerner SVP-Sektion. An Mittagstischen wurde dort schon früh lebhaft über die EU diskutiert. Ich pflegte dann jeweils zu sagen: Beruhigt euch, bitte. Wir brauchen das Rahmenabkommen …

So sagten Sie es?
Die Familie war mit mir nicht einverstanden. Doch dann passierte etwas Unerwartetes. Eines Montags vor rund vier Jahren bat uns einer meiner beiden Mitgründer der Partners Group, Marcel Erni, zu sich ins Büro. Mit «uns» meine ich Fredy Gantner und mich. Er erzählte, dass er den Entwurf des Rahmenabkommens mit der EU übers Wochenende gelesen habe – mehr als dreissig Seiten –, und sagte: «Jungs, wir müssen was dagegen tun. Dieser Vertrag ist eine Katastrophe.»

Kompass Europa ist 2020 gegründet worden.
Foto: Christian Schnur

Eine Katastrophe für wen?
Für die Schweiz. Ich las den Vertragsentwurf und fand dann ebenfalls: Wir drei müssen den Vertrag verhindern. Schlimm war beispielsweise das Recht der EU auf die Guillotine-Klausel. Sie besagte, dass alle Verträge dahinfallen, falls die Schweiz ein einziges Abkommen nicht erfüllt. Selbst das Freihandelsabkommen hätte die EU unter diesem Titel beenden können. Das Rahmenabkommen war extrem einseitig zugunsten der EU, und ich verstehe nicht, wie es damals zu diesem Abschluss kam. Ich erwähne dies deshalb, weil heute die fast gleichen Kreise, die diesen schlimmen Rahmenvertrag damals unterstützten, wieder kritiklos das Vertragspaket des Bundesrates befürworten, darunter der Basler SP-Nationalrat Eric Nussbaumer.

Und dann?
Wir nahmen Geld in die Hand und sprachen viele Unternehmer an. So entstand Kompass Europa. Zusammen mit der Bewegung Autonomiesuisse und den Gewerkschaften schafften wir es, dass der Bundesrat das Rahmenabkommen zurückzog. So wurde ich politisiert. Ich konnte nicht begreifen, wie naiv jemand sein kann, der ein solches Abkommen in Erwägung zieht.

Info

Urs Wietlisbach wuchs in Schaffhausen auf und studierte an der Hochschule St. Gallen Betriebswirtschaft. Nach dem Abschluss 1987 startete er als Banker bei der CS, bevor er 1993 zur Goldman Sachs wechselte. 1996 gründete er mit zwei Partnern die Partners Group in Baar, die sie zum erfolgreichen Finanzkonzern entwickelten. Die Gründer Alfred Gantner, Marcel Erni und Wietlisbach halten 15 % der Aktien. Zusammen mit den weiteren Partnern und Mitarbeitern der Partners Group sind sie die grösste Aktionärsgruppe. Der 63-Jährige hat zwei erwachsene Kinder und ist seit 2021 mit der Unternehmerin Simone Wietlisbach verheiratet.

Partners Group beschäftigt 1800 Leute, setzt rund 2 Milliarden Franken um und verwaltet 152 Milliarden US-Dollar Vermögen. Sie ist seit 2006 an der Schweizer Börse.

Kompass Europa ist 2020 gegründet worden, um das Rahmenabkommen der Schweiz mit der EU zu verhindern. Die Gründer sind die gleichen drei Geschäftspartner. Der Verein zählt rund 3600 Mitglieder und verfügt über ein Budget von 1,5 Millionen Franken. Den Kurs bestimmen 23 Mitglieder im Vorstandsausschuss. Die Volksinitiative will, dass der Bund «eine eigenständige Aussenwirtschaftspolitik, die den Bedürfnissen der Schweiz als international vernetztem Wirtschaftsstandort Rechnung trägt», verfolgt. Der Bund müsse «die demokratischen Rechte des Volkes und die Eigenständigkeit der Kantone» wahren.

Urs Wietlisbach wuchs in Schaffhausen auf und studierte an der Hochschule St. Gallen Betriebswirtschaft. Nach dem Abschluss 1987 startete er als Banker bei der CS, bevor er 1993 zur Goldman Sachs wechselte. 1996 gründete er mit zwei Partnern die Partners Group in Baar, die sie zum erfolgreichen Finanzkonzern entwickelten. Die Gründer Alfred Gantner, Marcel Erni und Wietlisbach halten 15 % der Aktien. Zusammen mit den weiteren Partnern und Mitarbeitern der Partners Group sind sie die grösste Aktionärsgruppe. Der 63-Jährige hat zwei erwachsene Kinder und ist seit 2021 mit der Unternehmerin Simone Wietlisbach verheiratet.

Partners Group beschäftigt 1800 Leute, setzt rund 2 Milliarden Franken um und verwaltet 152 Milliarden US-Dollar Vermögen. Sie ist seit 2006 an der Schweizer Börse.

Kompass Europa ist 2020 gegründet worden, um das Rahmenabkommen der Schweiz mit der EU zu verhindern. Die Gründer sind die gleichen drei Geschäftspartner. Der Verein zählt rund 3600 Mitglieder und verfügt über ein Budget von 1,5 Millionen Franken. Den Kurs bestimmen 23 Mitglieder im Vorstandsausschuss. Die Volksinitiative will, dass der Bund «eine eigenständige Aussenwirtschaftspolitik, die den Bedürfnissen der Schweiz als international vernetztem Wirtschaftsstandort Rechnung trägt», verfolgt. Der Bund müsse «die demokratischen Rechte des Volkes und die Eigenständigkeit der Kantone» wahren.

Haben Sie mit Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard verhandelt?
Natürlich.

Ein Pakt von Milliardären und Gewerkschaften ist gewöhnungsbedürftig ...
Wir waren sehr aktiv und hatten einen regen Austausch mit Aussenminister Ignazio Cassis. Das Erstaunliche war damals aber die unkritische Grundhaltung der Unternehmerinnen und Unternehmer: Von zehn waren uns damals vier wohlgesinnt, und sechs lehnten unser Engagement ab. Heute beobachte ich das Umgekehrte: Von zehn Unternehmern, die ich anspreche, sind sieben bis acht unserer Meinung und lehnen das Vertragspaket, das ich «Rahmenabkommen 2.0» nenne, ab. Deshalb haben wir bald 3600 Mitglieder in unserem Verein.

Welche Funktion üben Sie bei der Partners Group noch aus? Die Firma, die Sie mitgegründet haben, verwaltet immerhin 150 Milliarden Franken an Kundengeldern.
Ich wirke als aktiver Verwaltungsrat und sitze dem vom Verwaltungsrat etablierten Client Oversight Committee vor, während meine beiden Mitgründer, Fredy Gantner und Marcel Erni, als Mitglieder des Investment Oversight Committee agieren und schwerpunktmässig die Investitionen überwachen. Diese Tätigkeit für Partners Group lastet mich zu 50 bis 60 Prozent aus.

So bleibt Ihnen Zeit für die Politik. Wie haben Sie Ihre Roadshows durch die Schweiz erlebt, mit denen Sie für den Widerstand gegen das EU-Vertragspaket mobilisiert haben?
Ich ging in zwölf Städte – quer durch die Schweiz –, und zusammen mit Fredy Gantner und Marcel Erni sprachen wir an 33 Veranstaltungen. Ich sprach teilweise in vollen Sälen. In Zürich waren es rund 300 Leute, in Basel rund 100. Es ist spannend, die Menschen kennenzulernen, die uns unterstützen wollen. Wir haben lokale Komitees. Die meisten engagieren sich in der FDP und der SVP. Einige wenige stammen aus der Mitte-Partei und sogar aus der SP.

Wietlisbach (M.) im Gespräch mit Andreas Valda (l.) und Markus Diem Meier von der «Handelszeitung».
Foto: Christian Schnur

Wurde darüber berichtet?
Wir mussten die Lokalzeitungen dazu motivieren, über die Anlässe zu schreiben, indem wir Inserate schalteten. Wir liessen es den Redaktionen natürlich frei, in welcher Form sie über uns schreiben. Die Erwartung war aber, dass sie über die Anlässe berichten. Wir wollten bewusst ein Echo in der Breite erzeugen und nicht nur in überregionalen Medien. Was uns auch gelungen ist.

Wie viele Unterschriften haben Sie für Ihre Volksinitiative, die sich gegen das EU-Vertragspaket richtet, bereits zusammen?
Rund 40'000.

Sie brauchen 100'000.
Wir haben über ein Jahr Zeit dafür. Das ganze 27-köpfige Komitee sammelt jetzt. Ich war diese Woche dafür bereits zweimal auf der Strasse. Und wir stellen fest: Es ist schwieriger geworden, weil es diesen Unterschriften-Bschiss gab, der im September aufgedeckt wurde. Ich wurde deswegen selbst mehrmals angepöbelt.

Beruflich haben Sie mit hochrangigen, international tätigen Managern und Managerinnen zu tun. Und dann stehen Sie auf der Strasse und sprechen wildfremde Leute an. Was sind das für Erfahrungen?
Was mich stört, ist das Image, das man uns verpasst, dass wir drei abgehobene Milliardäre seien, die gegen die EU ankämpften. Wir sind nicht nur drei Milliardäre, sondern inzwischen über 3500 Mitglieder, darunter viele, die bekannt und erfolgreich sind und die gegen das Vertragspaket ankämpfen. Sie alle haben Angst um die Schweiz und Sorgen um unsere direkte Demokratie.

Partners Group beschäftigt 1800 Leute, setzt rund 2 Milliarden Franken um und verwaltet 152 Milliarden US-Dollar Vermögen.
Foto: Christian Schnur

Sie lehnen das im Dezember publizierte Vertragspaket ab und kritisieren die dynamische Rechtsübernahme sowie den Streitbeilegungsmechanismus unter Einbezug des Europäischen Gerichtshofs. Sie sagen, damit begehe der Bundesrat einen «folgenschweren Fehler auf Kosten der direkten Demokratie». Ist das erzielte Verhandlungsergebnis denn kein Fortschritt?
Verbessert wurde im aktuellen Rahmenabkommen, dass sich die dynamische Rechtsübernahme auf die fünf bisherigen und die künftigen neuen Abkommen beschränkt. Ich verstand aber generell nie, warum wir EU-Regeln dynamisch übernehmen müssen.

«
Die Schweiz und die EU sind inkompatibel.
Urs Wietlisbach
»

Damit am (Binnen-)Markt für alle Teilnehmenden die gleichen Regeln gelten.
Aber die politischen Prozesse, wie diese Regeln bestimmt werden, sind in der Schweiz und in der EU komplett verschieden. Deshalb sind die beiden Systeme inkompatibel. Die Schweiz bestimmt die Regeln föderalistisch und in der direkten Demokratie. Die EU dagegen ist zentralistisch. Bei uns bestimmt das Volk am Ende, was gilt. In der EU sind es der Ministerrat der Mitgliedsländer und das EU-Parlament. Das Volk hat in der EU nichts zu sagen. Wir sind nicht klüger als die EU-Bürgerinnen und -Bürger, aber unser Staatswesen schützt und fördert den Wohlstand. Das ist für mich der Hauptgrund, weshalb es der Schweiz im Vergleich zu unseren Nachbarn so viel besser geht. Beispiel Deutschland: Vor zwanzig Jahren lagen die wirtschaftlichen Verhältnisse der beiden Länder ungefähr beieinander, heute geht es uns fast doppelt so gut wie unserem nördlichen Nachbarn.

Sie meinen die Wirtschaftsleistung pro Kopf?
Ja. Die EU ist ein kranker Mann und leidet an überbordender Bürokratie. Sobald wir als Schweiz da hineingeraten, wird uns dasselbe passieren. Wenn wir die Regeln der EU vermehrt übernehmen, werden wir ebenso krank werden.

Machen wir es konkret. Es gibt fünf bisherige Abkommen, für die die Schweiz künftig die Regeln dynamisch übernehmen müsste. Erstens: das Luftfahrtabkommen. Was wäre da das Problem?
Kein Problem. Wir können die Regeln sogar automatisch übernehmen.

Gut. Zweitens: das Landverkehrsabkommen. Welche Gefahr?
Da könnte es Probleme geben. Falls der Schienenverkehr liberalisiert wird ...

Ausländische Züge könnten in die Schweiz aber nur fahren, wenn es der Taktfahrplan zulässt.
Sollten diese ausländischen Züge so verspätet sein, wie sie es heute sind, können wir unseren Taktfahrplan wegwerfen. Ich sage nur: Wir wissen nicht, was wegen der dynamischen Rechtsübernahme in fünf Jahren auf uns zukommt. Dort sehe ich die Gefahr.

Drittens: das Landwirtschaftsabkommen. Wo droht da die Gefahr aus der dynamischen Rechtsübernahme?
Wir müssen diesen Bereich selbstständig regeln, denn wir haben kleinbäuerliche Strukturen. Die EU-Regeln sind wegen der Agrargrossbetriebe der EU nicht kompatibel mit unseren.

«
Die Schweiz kann EU-Regelungen einseitig anerkennen. Dafür braucht es keinen Rahmenvertrag.
Urs Wietlisbach
»

Viertens: das Abkommen über den Abbau von Handelshemmnissen. Die Gefahr?
Hier besteht das grösste Problem: Wenn die Schweiz dynamisch die Regeln der EU übernehmen will, muss sie enorm viel Bürokratie auf sich nehmen. Dabei braucht es ein solches Abkommen aus meiner Sicht gar nicht. Zum einen kann die Schweiz – wo sinnvoll – die EU-Normen einseitig übernehmen. Zum anderen können exportorientierte Branchen oder Firmen mit einem Repräsentanten in der EU bewirken, dass sie anerkannt sind. Diese Vertretungen und Rechtsanpassungen an den EU-Binnenmarkt kosten die Firmen nicht Millionen, wie es uns Simon Michel von Ypsomed weismachen will.

Ginge es einfacher?
Ja, indem die Schweiz die EU-Regelung einseitig anerkennt. Dann wäre das Handelshemmnis beseitigt. Dafür braucht es dann aber keinen Rahmenvertrag, der die Schweiz zwingt, jedes EU-Recht dynamisch bis in alle Ewigkeit zu übernehmen.

Der 63-Jährige hat zwei erwachsene Kinder und ist seit 2021 mit der Unternehmerin Simone Wietlisbach verheiratet.
Foto: Christian Schnur

Wo bleibt dann die selbstständige Regulierung, wenn die Schweiz alle EU-Regeln einseitig anerkennt?
Der Unterschied ist, dass wir den Umfang der Übernahme selber bestimmen und dort Abstand nehmen können, wo es die Übernahme nicht braucht. So, wie es heute ist: autonom. Um es klar zu sagen: Wir sind nicht gegen den bilateralen Weg. Wir wollen das Verhältnis, wie wir es heute haben, erhalten.

Und das Abkommen über die Personenfreizügigkeit? Dieses Abkommen ist von der dynamischen Anpassung weitgehend ausgenommen.
Sie sprechen von der Unionsbürgerrichtlinie. Sie wird uns über die Jahre näher ans EU-System führen. Davon bin ich überzeugt.

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Kompass Europa hat keine Meinung zur Personenfreizügigkeit.
Urs Wietlisbach
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Sind Sie gegen Kontingente zur Arbeitseinwanderung?
Kompass Europa hat keine Meinung zur Personenfreizügigkeit. In diesem Punkt grenzen wir uns ab von der SVP. Ich selber habe eine differenzierte Meinung dazu.

Das überrascht angesichts der Bedeutung der Personenfreizügigkeit.
In der Abwägung der Vor- und Nachteile überwiegt aus meiner Sicht kein Argument dafür oder dagegen. Ich bin gegen administrative Hürden der Zuwanderung. Ich verstehe jedoch auch, dass die Schweiz die Zuwanderung selber steuern sollte. Die Wirtschaft wächst dank Zuwanderung, aber auch die Kosten wachsen. Diese Kosten bezahlt die breite Bevölkerung, den Gewinn daraus ziehen allerdings vor allem Grossbetriebe. Eine Zuwandererabgabe überzeugt mich nicht.

Sie kritisieren auch die künftige Kohäsionszahlung der Schweiz an die EU. Warum ist eine Zahlung von jährlich 350 Millionen in Ihren Augen falsch?
Kein Importeur von ausserhalb der EU und des EWR bezahlt der EU Geld dafür, um importieren zu dürfen. Nicht China, nicht die USA. Auch die USA und China verlangen von uns kein Geld. Warum soll die Schweiz der EU Geld dafür zahlen?

«
Die erste Reaktion wird ein Dauerfrost von ein bis zwei Jahren sein.
Urs Wietlisbach
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Was, wenn das ganze Vertragspaket scheitert?
Die erste Reaktion wird ein Dauerfrost von ein bis zwei Jahren sein. Die EU wird die bilateralen Verträge mit der Schweiz aber nicht kündigen, denn sie ist von der Schweiz genauso abhängig wie wir von der EU. Danach werden sich die Parteien wieder aneinander herantasten, um gewisse Themen zu klären – etwa ein Stromabkommen.

Die EU sagt aber seit 15 Jahren: Ohne Streitbeilegung wird es keine bilateralen Verträge mehr geben.
Richtig ist: Wir können nicht den Fünfer und das Weggli haben. Ein Scheitern wird ein bisschen mehr Aufwand für gewisse Industrien bedeuten. Da bin ich mit den Befürwortern und Befürworterinnen einig. Was diese übersehen, sind all die Zusatzkosten, die bei einer Annahme des Vertragspakets auf uns zukommen würden.

Neben Politik und Partners Group finanzieren Sie eine Wohltätigkeitsstiftung, und Sie sind mit dem Arosa Kulm Hotel auch Hotelier.
Ja, das Arosa Kulm Hotel gehört mir. Lange sagte ich mir: Kaufe kein Hotel und auch keinen Fussballklub ... (lacht)

Aber?
Es ergab sich. Ich konnte es einem Deutschen abkaufen, der lange nicht investiert hatte. Es ist ein Traditionshaus. Mit Gästen wie Hazy Osterwald und Udo Jürgens war es lange der Hotspot der Schweiz. Dieses Renommee will ich wieder aufleben lassen. Mein Vorteil war, dass mich Hotels nicht interessierten. So konnte ich es günstig kaufen.

200 Millionen wollen Sie reinstecken, hört man.
Ja, etwas mehr als 200 Millionen. Zur heutigen Anlage gehört sehr viel Bauland. Wir wollen es entwickeln. Das Hotel soll von heute 220 auf 600 Betten vergrössert werden. Zum Projekt gehören 28 Zweit- und 76 bewirtschaftete Wohnungen. Der Verkauf der Zweitwohnungen soll die Erweiterung finanzieren.

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Samih Sawiris hat mir erklärt, wie das Geschäft in Andermatt funktioniert.
Urs Wietlisbach
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Wollen Sie noch mehr Hotels?
Nein. Samih Sawiris, ein Freund von mir, hat mir erklärt, wie das Geschäft in Andermatt funktioniert. Mal sehen, wie das bei mir herauskommt. Die Gemeinde hat sehr positiv reagiert. Ich hatte keine einzige Einsprache ...

Wirklich?
In der Tat überraschend. Im Frühjahr schliesst der Betrieb. Dann beginnen wir mit dem Umbau. Der grösste Teil wird mit Rücksicht auf die Bevölkerung in einer Etappe umgesetzt. Voraussichtlich im Dezember 2028 möchten wir eröffnen. Das neue Kulm Hotel wird als Fünfsternehaus eine neue Epoche in Arosa einläuten und wohl das grösste Fünfsterneresort in den Schweizer Alpen sein.

Sie sagten in einem früheren Interview, dass Sie 90 Prozent Ihres Vermögens in wohltätige Zwecke stecken wollen – und nur 10 Prozent vererben. Gilt dies noch?
10 bis 20 Prozent will ich meinen Söhnen übergeben, der Rest geht in die Stiftung. Ich bin der Überzeugung, dass reiche Menschen ihr Vermögen nach dem Ableben wieder teilen müssen. Die Stiftung ist spannend aufgebaut. Wir fördern finanziell drei Bereiche: Sport, Ausbildung und alternative Medizin. Letztere, weil es dort fast keine Forschung dazu gibt.

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