Die kurze Notiz ist legendär und hat die EWR-Abstimmung von 1992 mitentschieden: Kurz vor dem Urnengang reichte der Bundesrat bei der damaligen EG ein Gesuch um Beitrittsverhandlungen ein. Seither verstaubt der Brief in einer Schublade in Brüssel. Damit soll Schluss sein. Der Nationalrat entschied gegen den Willen der Regierung, dass die Schweiz das Gesuch formell zurückziehen soll.
Aussenminister Didier Burkhalter argumentierte vergeblich, dass dieses gegenstandslos sei. Nicht einmal seine Partei erhörte ihn – die FDP stellte sich hinter den Vorstoss von SVP-Politiker Lukas Reimann. Burkhalter ahnte wohl, dass es so kommt und meinte am Schluss seines Votums, man könne auch Ja stimmen und so die Sache erledigen.
FDP-Fraktionschef Ignazo Cassis will nichts davon wissen, dass seine Leute ihrem Bundesrat in den Rücken gefallen sind. Man habe bloss «eine Leiche bestattet». Erst nach der Beerdigung könne man sicher sein, dass diese auch wirklich tot sei. «Wir haben Bundesrat Burkhalter damit beauftragt, einen Brief nach Brüssel zu schicken, damit die Sache endgültig erledigt ist.» Der Neuenburger meinte lakonisch, dass die EU das Schreiben von 1992 wohl gar nicht mehr finden werde. Für Cassis ist aber klar: «Solche Symbole sind wichtig!»
Das sieht auch Reimann so. Er ist überzeugt, dass die Botschaft in Brüssel ankommen werde. «Denn faktisch sind wir in den Augen vieler EU-Funktionäre noch immer Beitrittskandidat», so der St. Galler. Tatsächlich stand in der Wandelhalle die Frage im Raum, wie Brüssel den Entscheid auffasst. Cassis glaubt nicht, dass die Verhandlungen um die Zuwanderung erschwert würden. CVP-Nationalrätin Kathy Riklin, die sich enthielt, sagt aber: «Der Nationalrat hat entschieden, ohne Not Öl ins Feuer zu giessen.» Ex-Diplomat Tim Guldimann (SP) spricht von einem «dummen Nachtreten, das niemandem etwas bringt». Einen Aufstand werde es in Brüssel aber nicht geben. Das oberste Ziel sei für die Schweiz der Erhalt des bilateralen Wegs.
«Es ist aber leider gut möglich, dass wir unsere Beziehungen mit der EU an die Wand fahren», sagt er. Und wenn die Schweiz eine Lösung erziele, «werden wir dafür mit Abstrichen an der Souveränität einen hohen Preis bezahlen», sagt er. Heute sei es zwar «müssig» über einen Beitritt zu diskutieren, aber: «In beiden Fällen kann ich mir vorstellen, dass dann in einem neuen Licht über den Beitritt diskutiert wird.» Wohl auch deshalb sprach sich nur die SP geschlossen gegen den Rückzug des Gesuchs aus.