Es gilt ernst – und die Parteien machen im Wahlkampf auf lustig
Spass politique

Die Schweiz steht vor dem Wahlkampf 2015. Doch in Zeiten, in denen die Probleme fast unüberblickbar scheinen, produzieren Politiker anstatt Lösungsvorschläge und Orientierung Witze und Zoten.
Publiziert: 18.08.2015 um 19:13 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 23:47 Uhr
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Nackter Blödsinn: So banal provozieren die Juso im Jahr 2015.
Foto: ZVG
Von Christoph Lenz

Es gibt kein Halten mehr. Acht Wochen vor den Wahlen drängen Parteien und Politiker in den Vordergrund. Alle suchen sie dasselbe. Das Rampenlicht. Aufmerksamkeit. Die Masse.

So weit, so normal. Dennoch unterscheidet sich der Wahlkampf 2015 frappant von früheren Urnengängen. Konkret: Es gilt ernst für die Schweiz – doch die Parteien machen auf lustig. Die Classe politique macht Spass politique.

Fast unüberblickbar scheinen die Probleme und Brandherde. Die Beziehungen zur EU sind höchst angespannt. Die Wirtschaft schwächelt. Jobs sind in Gefahr. Die Renten müssen gesichert werden. Die Zuwanderung ist unvermindert hoch. Der Bundesrat will Unternehmen steuerlich massiv entlasten. Doch die Kassen von Bund, vielen Kantonen und Gemeinden sind leer.

Über all dies müsste man jetzt reden, streiten, sich verständigen. Schliesslich will der Wähler seine Wahlentscheidung an genau diesen Themen schärfen. Er verlangt nach Orientierung. Profil. Haltung.

Die Politik gibt ihm Witze. Zoten. Episoden.

Augenfällig ist das bei der SVP von Spass-General Toni Brunner. Sie tritt im Wahlkampf als Ulk-Truppe auf. Sprücheklopfend und singend nahm die Parteispitze kürzlich den Zürcher Bahnhof in Beschlag. Manches Schwergewicht der Partei soll sich aufgeführt haben wie ein räudiger Pool-Animator.

Verteidigungsminister Ueli Maurer, der im Job Niederlage um Niederlage einstecken muss, vergnügt sich derweil öffentlich mit Plüschmaskottchen Willy.

Diesem Fasnachtskomitee soll man am 18. Oktober also das Schicksal der Schweiz anvertrauen? Eine schmerzhafte Vorstellung.

Auch die FDP lässt sich in Sachen Klamauk nicht lumpen. Mit dem Fussballschuhe-Plakat bedient der einst so solide, ernsthafte Zürcher Freisinn plump Geschlechterklischees, die man längst überwunden glaubte.

Linksaussen sieht es kein bisschen besser aus. So kämpfen die Juso mit Nacktmodels gegen den Schnüffelstaat. Ausgerechnet die Juso! Die sich rabiat gegen jede Form von Sexismus und Sexualisierung wehren. Sie bringen also keine raffiniertere Provokation aufs Plakat als einen nackter Herrenpo? So blutt, so platt. 

Ein Lichtblick stammt auf den ersten Blick von der SP. Ihre gestern vorgestellte «Typisch SP»-Plakatkampagne schafft zumindest formal die Verbindung von Humor und Politik. Doch mag auch dieses Plakat nicht über die inhalt­lichen Defizite der SP bei den zentralen Wahlkampf­themen Europa, Migration und Asyl hinwegtäuschen.

Acht Wochen bleiben. Höchste Zeit, dass sich die Politiker wieder ihrem Kerngeschäft widmen: der Politik.

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