Das Ringen um die Konzernverantwortungs-Initiative geht in die Schlussphase. Die beiden Lager schenken sich dabei nichts. Und auf beiden Seiten wird finanziell nicht gekleckert, sondern mit Millionen geklotzt.
Die Ausgangslage ist spannend wie schon lange nicht mehr. In den bisherigen Umfragen liegt das Ja-Lager in Front. Bei der ersten SRG-Trendumfrage mit 63 Prozent Ja zu 33 Prozent Nein. Der Rest war noch unentschlossen. Doch die Zahlen haben die Gegner aufgeschreckt. In den letzten Wochen hat das Nein-Lager noch mal massiv Gas gegeben. Mit welchem Erfolg, wird die nächste SRG-Umfrage am Mittwoch zeigen. In der Regel nimmt der Ja-Anteil aber ab, je näher der Abstimmungstermin rückt.
Schrumpft der Ja-Vorsprung stark, könnte das Ständemehr zur entscheidenden Hürde werden. Die Initiative benötigt für einen Erfolg nicht nur das Volks-Ja, sondern auch grünes Licht aus mindestens 12 Ständen. Fällt der Ja-Anteil unter 55 Prozent, gerät das Ständemehr stark ins Wanken. Der Fall ist zwar selten, aber er kommt vor: Bisher gab es neun Vorlagen, zu denen das Volk Ja sagte, die Stände hingegen Nein – zuletzt 2013 beim Familien-Artikel.
Fokus auf die Bergkantone
Beide Seiten haben das Ständemehr auf ihrer Rechnung. «Das ist eine typische Initiative, bei der man auf den Föderalismus hofft und für das fehlende Ständemehr kämpft», sagt die Baselbieter CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (56). Sie ist Co-Präsidentin im Nein-Komitee und macht klar: «Wir müssen in den Swing States aktiv sein, wo das Resultat auf beide Seiten kippen kann – eher ländliche Gebiete mit ausgeprägter KMU-Landschaft.» Dazu zählt sie auch ihren Kanton Baselland, ebenso die Zentralschweizer und einzelne Ostschweizer Kantone.
In den Szenarien der Politstrategen scheint eines klar: Die welschen und die städtischen Kantone wie Basel-Stadt, aber auch Zürich und Bern, werden tendenziell dem Ja-Lager zugerechnet. Die Ostschweizer Kantone mehrheitlich dem Nein-Lager.
Ausschlaggebend dürfte die Nord-Süd-Achse werden. Von Baselland und Solothurn hinunter über die Zentralschweizer Kantone bis ins Tessin. Heiss umkämpft sind da insbesondere die Berggebiete. In den letzten Tagen wird um jede Berglerstimme gekämpft.
Wie bei der Alpen-Initiative?
Zum Beispiel Uri: Hier setzt sich CVP-Nationalrat Simon Stadler (32) an vorderster Front für die Initiative ein. «Die Initiative ist von unten gewachsen, lanciert von Kirchen und Nicht-Regierungs-Organisationen, deshalb hat sie auch in Landkantonen gute Chancen», meint Stadler. Erst recht, da die betroffenen Grosskonzerne kaum in Landkantonen angesiedelt seien. Seine Kantonalpartei hat er jedenfalls für ein Ja gewonnen. Er zeigt sich daher optimistisch, dass die Initiative durchkommt.
Nicht von ungefähr: Das Szenario erinnert ein wenig an den Erfolg der Alpen-Initiative 1994. Damals setzten sich wie heute verschiedene CVP-Kantonalparteien für ein Ja ein. Das Bild ist ähnlich: Die Junge CVP und die Christlichsoziale Vereinigung engagieren sich für die Initiative. Mehrere Kantonalsektionen wie Tessin, Thurgau, Genf oder Bern haben die Ja-Parole gefasst, andere wie Waadt oder Graubünden haben Stimmfreigabe beschlossen.
Die bürgerlichen Mitteparteien BDP und GLP machen sich ebenfalls für ein Ja stark. BDP-Präsident Martin Landolt (52) geht wie Stadler davon aus, dass die Initiative gerade in den Berggebieten viele Menschen anspricht. «Die Übernahme von Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt entspricht einer Wertehaltung, die insbesondere auch im ländlichen Raum und in den Berggebieten seit Generationen tief verankert ist», meint Landolt. Auch in seinem Heimatkanton Glarus, der ebenfalls als Wackelkanton gilt: «Ich bin deshalb sehr zuversichtlich, was das Ständemehr angeht.»
Stadler will nicht tanzen, aber juchzen
Entscheidend dürfte sein, welches Lager am 29. November stärker mobilisiert. Im Nein-Lager befürchtet man, dass die rechten Gegner der Urne eher fern bleiben, weil Problemdruck und direkte Betroffenheit fehlen.
Kirchliche und links-grüne Kreise hingegen dürften stärker an die Urne strömen, weil die Initiative mit Emotionen und Engagement verbunden ist. Darauf zählt auch der Urner Simon Stadler. «Hinter der Initiative steht nicht eine Partei, sondern eine breite Bewegung», sagt er. Eine weitere Parallele zur Alpen-Initiative von 1994.
Womit sich die Frage stellt, ob der junge CVP-Nationalrat bei einem Ja zur Konzern-Initiative öffentlich das Tanzbein schwingen wird. Wie damals sein Vater Hansruedi (67), der nach dem Ja zur Alpen-Initiative als «tanzender Landammann» in die Politgeschichte einging. «Nein, tanzen werde ich nicht», winkt Simon Stadler lachend ab: «Aber einen lauten Freudenschrei und Juchzer wird es bei einem Ja von mir geben.»