Er hat bloss vier Stunden geschlafen. Diese Umfahrung im Emmental liess ihm letzte Nacht einfach keine Ruhe. Weil er sich nicht ausreichend informiert fühlte, studierte er die Unterlagen der Grünen-Delegiertenversammlung. Und jetzt, wo er durchblickt, ist er nicht zufrieden. «Das fördert nur den Autoverkehr. Ein Witz!»
Wermuth ist 18 Jahre alt und das Gegenteil eines Strebers. Er passt auch nicht in den biederen Berner Rosengarten, wo wir ihn treffen. Mit seinen wasserstoffblonden Haaren und der runden Brille sieht er eher aus wie ein urbaner Hipster als ein Bub aus dem ländlichen Utzenstorf BE. Ums Büffeln kommt er aber nicht herum. Schliesslich will er für die jungen Grünen in den Nationalrat.
Im Kanton Bern tritt die Partei mit einer eigenen Liste an. Wermuth, auf Platz 10, ist Hinterbänkler mit null Chancen. Aber Klimajugendlicher. «Diese Mischung ist für die Medien schon ein Highlight», sagt er und grinst. «Ich bin ein Hoffnungsträger für die Grünen.»
Fukushima als Antrieb
Keine einzige der sechs Klimademos hat er verpasst. Im August marschierte er sogar in Lausanne mit Greta mit, wie er stolz erzählt. Geprägt jedoch hat ihn etwas anderes: Fukushima 2011. «Ich habe mich später immer daran erinnert, wie schlimm das war.» Der GAU des japanischen Atomkraftwerks und sein politisches Erbe sind heute sein Antrieb. Das hat er vom Grossvater, einem alt SP-Gemeinderat. Der Zwillingsschwester und der Mutter hingegen – der Vater ist verstorben – «gehe ich mit meinen Themen manchmal auf die Nerven».
Themen wie: Netto-Null-CO2-Emissionen bis 2030. Und: Ehe für alle. «Ich möchte mal heiraten können», sagt er jetzt ernst.
Wermuth ist schwul. Letztes Jahr hatte er sein Coming-out. Die Reaktionen waren negativ. So sehr, dass er mit dem Unihockey bei einem Landverein aufhören musste. «Die Schwuchtel-Sprüche waren einfach zu viel.» Ähnlich ist es in der Schule, wo er seine kaufmännische Ausbildung macht. «Die Gesellschaft akzeptiert Homosexuelle noch immer nicht.»
Dafür und für die Klimajugendlichen will er in den Nationalrat, wie er sagt. «Auch wenn ich mich dafür medial ein bisschen verkaufen muss.»