Seit Monaten ziehen immer wieder junge Menschen durch die Strassen, mit lautem Geschrei und klaren Forderungen: Die Klimajugend kämpft für ihre Zukunft. Im Juni zogen Hunderttausende Frauen mit Bannern und Trillerpfeifen durch die Städte, um für ihre Rechte einzustehen.
Es dauert zwar noch zwei Monate bis zu den nationalen Wahlen. Doch schon jetzt ist klar: Frauen und Junge aus diesen zwei Bewegungen drängen ins Parlament.
Ein Blick auf die Wahllisten zeigt: Jeder dritte Kandidierende ist unter 30 Jahre alt – fast zehn Prozent mehr als 2015! Am meisten junge Kandidaten haben die Grünen: Fast die Hälfte sind noch nicht mal 30. Die CVP schickt mit 28 Prozent am wenigsten Unter-30-Jährige ins Rennen. Oft hat der Nachwuchs gute Chancen, gewählt zu werden. Das zeigen die Hauptlisten der grossen Parteien. Zehn Prozent der aussichtsreichsten Positionen in der Deutschschweiz sind mit Jungen besetzt.
Zwei junge Listen der Grünen im Kanton Bern
Bei den Grünen ist sogar jeder fünfte Topplatz für sie reserviert. Parteipräsidentin Regula Rytz erklärt den Ansturm so: «Seit dem Start der Klimabewegung interessieren sich noch mehr Junge für die Politik.» Im Kanton Bern ist das Interesse sogar so gross, dass gleich zwei junge Listen entstanden sind. «Wir haben selbstverständlich auch Klimajugendliche auf den Listen, die erst vor kurzem in die Politik eingestiegen sind», sagt Rytz.
Von der Klimademo direkt ins Parlament? Eine ungewöhnlich steile Karriere in der Schweiz, wo Politiker normalerweise auf Gemeinde-Ebene einsteigen und sich schrittweise hocharbeiten.
Jürg Grossen, Präsident der Grünliberalen, der Partei, die nach den Grünen den grössten Zulauf an jungen Kandidierenden hat: «Wir erwarten nicht, dass jede und jeder zuerst eine jahrelange Ochsentour absolviert.» Im Übrigen wollten sich diese jungen Kandidierenden ja nicht nur fürs Klima stark machen: «Ich stelle fest, dass sie sich auch für unsere Europapolitik oder die Sicherung der Altersvorsorge interessieren.»
Noch eine weitere grosse Gruppe will ins Bundeshaus einziehen: Die Frauen. 41 Prozent aller Kandidierenden sind Frauen – so viele wie nie. Bei der Wahl 2015 waren es erst 35 Prozent. Maya Graf, Grünen-Nationalrätin und Co-Präsidentin des Frauendachverbands Alliance F: «Viele Politikerinnen sind nun auf aussichtsreichen Plätzen, das ist ein entscheidender Faktor.» 2015 kandidierten Frauen auf einem Drittel der aussichtsreichen Listenplätze, heute auf fast der Hälfte. Dies auch dank der Bürgerlichen. Während SP und Grüne schon länger Frauen fördern, holen FDP, CVP und Co. auf. Bestes Beispiel: die zuletzt gewählten Bundesrätinnen Karin Keller-Sutter (FDP) und Viola Amherd (CVP).
Mit Frauen wird das Parlament progressiver
FDP-Präsidentin Petra Gössi sagt: «Ich bin überzeugt, dass unsere Frauen gute Chancen haben.» Werden sie am 20. Oktober tatsächlich gewählt, dürfte das jedoch nicht allen Bürgerlichen behagen. Eine SonntagsBlick-Auswertung der Smartvote- Befragung zeigt: Kommen die Frauen, wird das Parlament progressiver – gerade wegen der bürgerlichen Kandidatinnen!
Die SVP-Frauen zum Beispiel sind eher dafür, dass gleichgeschlechtliche Paare die gleichen Rechte haben wie heterosexuelle. SVP-Männer sind eher dagegen. Die CVP-Frauen befürworten eher einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub. Die Männer tun das nicht. Die FDP-Frauen wehren sich eher gegen eine Senkung der Sozialhilfeleistungen in den Kantonen. FDP-Männer denken nicht im Traum daran.
Die Erwartungen sind gross, wie die Grüne Maya Graf sagt: «2019 soll nicht nur das Klima-Wahljahr, sondern auch das Frauen-Wahljahr werden.» Einen Hoffnungsschimmer gibt es: Schon 2015 schlug die Genferin Lisa Mazzone – jung, grün und weiblich – eine Bisherige. Grünen-Präsidentin Rytz: «Es ist alles möglich in diesem Klimaherbst.»
Für die Kandidaten-Analyse hat der SonntagsBlick Daten von insgesamt 8134 Nationalratskandidaturen aus den Jahren 2015 und 2019 ausgewertet. Ein besonderes Augenmerk legte unser dreiköpfiges Team dabei auf die 924 Personen auf den Hauptlisten von 2019 der Parteien SVP, SP, CVP, FDP, Grüne und Grünliberale in der Deutschschweiz. Die Merkmale wie zum Beispiel Ausbildung und Elternschaft wurden anhand der Wahllisten der Kantone, eigenen Recherchen und Smartvote-Daten zusammengetragen und analysiert.
Für die Kandidaten-Analyse hat der SonntagsBlick Daten von insgesamt 8134 Nationalratskandidaturen aus den Jahren 2015 und 2019 ausgewertet. Ein besonderes Augenmerk legte unser dreiköpfiges Team dabei auf die 924 Personen auf den Hauptlisten von 2019 der Parteien SVP, SP, CVP, FDP, Grüne und Grünliberale in der Deutschschweiz. Die Merkmale wie zum Beispiel Ausbildung und Elternschaft wurden anhand der Wahllisten der Kantone, eigenen Recherchen und Smartvote-Daten zusammengetragen und analysiert.