Erbarmungslose Kontrolle
Jetzt fordert ÖV-Verband mehr Billett-Toleranz – aber nur im Zug

Der Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV) ist für mehr Toleranz bei Billettkäufen kurz nach Abfahrt – aber nur im Zug.
Publiziert: 09.02.2024 um 07:17 Uhr
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Aktualisiert: 09.02.2024 um 07:24 Uhr
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Immer wieder stellen die SBB Bussen aus, wer Sekunden zu spät ein Billett auf der App gelöst hat.
Foto: Keystone

Es ist frustrierend für Reisende: Sie versuchen, ein Ticket zu kaufen, aber wenn der Kauf über das Handy erst einige Sekunden nach der Abfahrt erfolgt, wird eine Strafe verhängt. Die strikte Kontrollpraxis basiert auf dem Tarif 600. Dieser besagt, dass ein E-Ticket unbedingt vor der tatsächlichen Abfahrt erworben werden muss.

«Eine Toleranz von zwei Minuten bei Trams und Bussen in Städten einzuführen, ergibt keinen Sinn», sagt Ueli Stückelberger (53), Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV). In einem solchen Fall könnten Kontrollen gleich ganz eingestellt werden, weil dann noch mehr Leute keine Billette kauften.

«In Zügen hingegen braucht es vielleicht eine höhere Toleranz. Solche abgestuften Regeln werden derzeit diskutiert», sagte Stückelberger in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit CH Media.

«Nulltoleranz nicht per se dumm»

Im Dezember hatte das Bundesamt für Verkehr (BAV) die Praxis der SBB, erst bei der Abfahrt gelöste Billette nicht zu akzeptieren, als nicht mit dem Personenbeförderungsgesetz vereinbar kritisiert. Stückelberger kann dem Vorgehen des BAV nichts abgewinnen: «Ich verstehe nicht, dass das BAV so laut Kritik übt. Man hätte das Gespräch mit der Branche suchen können. Zudem ist die Nulltoleranz nicht per se dumm, sondern je nach Transportmittel schlicht notwendig.»

Kritik übt Stückelberger auch an Verkehrsminister Albert Rösti (56). Ende Januar sagte dieser in einem Interview mit Tamedia, ein Autobahnausbau sei nötig, weil der ÖV momentan nicht mehr ausgebaut werden könne. «Es braucht jetzt keine neuen Autobahnen, weil man den ÖV angeblich nicht mehr ausbauen kann und er keine Kapazitäten mehr hätte», sagte Stückelberger nun. «Diesen Zusammenhang gibt es nicht.»

«Schweizer Errungenschaften im ÖV sichern»

Natürlich könne auf der Schiene tatsächlich nicht überall gleichzeitig gebaut werden. Bloss: «Es ist aber ein grosser Unterschied, ob man einen neuen Tunnel neben der Strecke baut, der so den bestehenden Schienenverkehr kaum beeinträchtigt, oder ob man Strecken oder Bahnhöfe unter laufendem Betrieb aus- oder umbaut», so Stückelberger.

Entspannt gab sich der VöV-Direktor hinsichtlich einer allfälligen Liberalisierung des internationalen Personenverkehrs im Zuge eines EU-Rahmenabkommens. «Für uns ist zentral, dass wir die Schweizer Errungenschaften im ÖV sichern: Taktfahrplan, Trassenverteilung und bei den internationalen Zügen die bewährte Kooperation der SBB mit ausländischen Partnern», so Stückelberger. «Wenn wir diese Errungenschaften, die einen sehr grossen Kundennutzen haben, im Vertragstext mit der EU drin haben, werden wir das so akzeptieren.» (oco/SDA)

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