Im 800-Einwohner-Dörfchen Oberwil im Simmental BE sorgt eine Personalie für Wirbel. Ab Mai wird Nils Fiechter (22), Co-Präsident der Jungen SVP Bern, Gemeindeschreiber im Dorf. Erst in der Lokalzeitung, diese Woche nun auch per Flugblatt hat die Gemeinde über den neuen Mitarbeiter informiert.
Was in der offiziellen Mitteilung nicht erwähnt wird: Erst vor wenigen Wochen ist Fiechter zusammen mit dem anderen Co-Präsidenten Adrian Spahr (24) wegen Rassendiskriminierung verurteilt worden. Es geht um ein «Zigeuner»-Plakat, mit dem die Junge SVP Bern im Wahlkampf 2018 gegen Transitplätze für ausländische Fahrende kämpfte. Fiechter und Spahr haben das Urteil weitergezogen.
«Seid ihr noch ganz bei Trost?»
Während das Urteil für Kantonspolizist Spahr eine Versetzung zur Folge hatte, hat Fiechter, gelernter Kaufmann, trotz erstinstanzlicher Verurteilung den Job auf der Gemeindeverwaltung Oberwil bekommen. Ein Entscheid, der manch einem Oberwiler sauer aufstösst. Mehrere Bürger haben bei der Gemeinde ihren Unmut über den Personalentscheid kundgetan.
«Seid ihr noch ganz bei Trost?», fragt beispielsweise der Oberwiler Beat Hagmann in einem Mail an die Gemeinde, das BLICK vorliegt. Der Gemeindeschreiber sei ein wichtiger Repräsentant einer Gemeinde und seiner Einwohner. «Und jetzt wollt ihr den verurteilten Rassisten Nils Fiechter zum Gemeindeschreiber von Oberwil machen?» Dieser Personalentscheid mache die Oberwiler «zu den Deppen der Nation», macht Hagmann seinem Ärger Luft. «Mir reicht es!» Er wolle sich doch «nicht schämen müssen, in einer solchen politischen Gemeinde zu wohnen».
Hagmann ist ehemaliger Tourismuschef des Kantons Bern und lebt seit bald 20 Jahren in Oberwil – einer SVP-Hochburg. Er sagt, mit seiner Meinung sei er im Dorf nicht alleine. Doch die meisten trauten sich nicht, zu dieser Meinung zu stehen. Das glaubt auch ein anderer verärgerter Einwohner, mit dem BLICK spricht. «Es gibt viele Leute, die die Faust im Sack machen», sagt dieser.
Fiechter war der einzige Bewerber
Gemeindepräsident Michael Blatti (36) kann die Aufregung um die Personalie nicht verstehen. Er freut sich, dass sich überhaupt jemand auf die Stelle bewarb. Fiechter war der einzige Kandidat, nachdem eine Mitbewerberin ihre Bewerbung am Tag vor dem Vorstellungsgespräch zurückgezogen hatte. «Für Gemeinden wie uns ist es schwierig, Leute für diesen Job zu finden.»
Der Berner JSVP-Co-Präsident sei nicht angefragt worden, sondern habe sich von sich aus beworben. Das habe ihn überrascht, gibt Blatti zu – schliesslich habe Fiechter beste Referenzen aufgewiesen. «In Kandersteg, wo er seine Lehre machte, hiess es, er sei ein sehr guter Stift gewesen.»
Gemeinderat hofft auf Freispruch
Für die Gemeinde zähle Fiechters Fachkompetenz, und die schätze man sehr hoch ein, sagt Blatti. Sein Engagement als Jungpolitiker sei aber schon zur Sprache gekommen. «Ich habe ihm gesagt, dass ich daran interessiert wäre, dass er sich in Zukunft etwas zurückhält und nicht mehr an vorderster Front für die JSVP aktiv ist», sagt Blatti. «Inwiefern dann das wirklich klappt, müssen wir sehen.»
Was den Gerichtsfall betrifft, sagt Blatti: «Wir hoffen natürlich, dass er nicht verurteilt wird» – schliesslich will man sich nicht schon wieder auf die Suche nach neuem Personal machen. Sollte es aber zu einer letztinstanzlichen Verurteilung kommen, müsse man die Angelegenheit sicher besprechen. «Wenn Herr Fiechter bis dahin die Leistung gebracht hat und wenn wir mit ihm zufrieden sind, spricht für mich aber nichts dagegen, ihn nicht weiter bei uns zu beschäftigen.»