Darum gehts
Wie ein König wurde Martin Pfister kürzlich in seiner Heimatgemeinde Baar im Kanton Zug empfangen. Aus einer Kutsche mit Doppelgespann winkte der neue Mitte-Bundesrat den jubelnden Menschen zu und genoss das Bad in der Menge. Seine Bundesratsvorgängerin Viola Amherd, die ebenfalls im eleganten Gefährt sass, war trotz ihrer unmittelbaren Nähe zum Mann der Stunde nur Zaungast.
Wie lange die festliche Stimmung beim früheren Zuger Gesundheitsdirektor anhalten wird, ist fraglich: Als neustes Mitglied der Landesregierung hat Pfister ab 1. April die schwierige Aufgabe, den Scherbenhaufen im VBS aufzuwischen. Das Departement befindet sich in Unordnung, und Pfister muss von Tag eins an entscheidende Weichenstellungen vornehmen. Ein neuer Armeechef wird ebenso gesucht wie ein neuer Leiter des Nachrichtendienstes, und auch für den abtretenden Luftwaffenkommandanten muss Pfister Ersatz finden. Dazu gilt es, sich mit Europa bezüglich der Sicherheitsfrage abzustimmen.
Pfisters Weggefährten trauen dem «stillen Schaffer» aus Zug durchaus zu, all dies zu bewältigen. Und als ehemaliger Oberst sowie Chef Katastrophenhilfe der Territorialregion 3 ist Pfister auch mit militärischen Notfallszenarien vertraut.
Die Mitstreiter
Als Chef der Zuger Gesundheitsdirektion musste Martin Pfister nach einigen Jahren im Amt mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie eine grosse Zerreissprobe bestehen. Schützenhilfe bekam er damals von seinem Armeekollegen Rudolf Hauri, dem Zuger Kantonsarzt. Dieser erhielt durch sein damaliges Amt als Präsident aller Kantonsärzte viel mediale Aufmerksamkeit. Als Zug damals früher als andere Kantone eine Verschärfung der Maskenpflicht beschloss, gab es zwar laute kritische Stimmen, sie prallten aber an Hauri und Pfister ab. Wie wichtig souveräne Medienauftritte generell sind, weiss PR-Profi David Schärer bestens. Der «Werber des Jahres 2021/22» und PR-Berater unterstützte Pfister während dessen Bundesratskampagne und begleitete den Kandidaten insbesondere bei Fernsehaufnahmen und Fotoshootings.
Als PR-Beraterin beauftragte Pfister zudem Bettina Mutter, die ihre eigene Beratungsfirma betreibt. «Ein Bundesratskandidat braucht ein Team, das organisiert und koordiniert. Und analysiert und interpretiert», sagte sie zur «Schweiz am Wochenende». Indirekt medial unterstützte Christian Peter Meier, Chefredaktor der «Luzerner Zeitung», seinen langjährigen Jasskumpan Pfister: In einer Kolumne mit dem Titel «Weshalb ich schweigen muss» schrieb der Journalist, dass er aus Befangenheitsgründen nicht über die Qualitäten des neuen Bundesrats sprechen dürfe. Dennoch gratulierte er Martin Pfister dazu, alle Trümpfe perfekt ausgespielt zu haben.
Die Familie
Als Mitte-Politiker steht Martin Pfister für den Wert der Familie ein. Dies spiegelt sich auch in seinem Privatleben wider, und als Teil einer Patchwork-Familie entspricht sein Lebensentwurf dem Zeitgeist. Seine Frau Cacilda Giacometti Pfister, gebürtige Brasilianerin, lernte er vor 27 Jahren an der Baarer Fasnacht kennen. Sie brachte die Töchter Fabiola und Gabriela mit in die Ehe, die gemeinsamen Kinder Samuel und Isabel kamen 2001 beziehungsweise 2003 auf die Welt. Sohn Samuel bekleidet in der Armee den Rang eines Offiziers und schlägt damit seinem Vater nach. Martin Pfisters vier Grosskinder nennen ihn «Vovô» – portugiesisch für Grossvater.
Die Karriere
Martin Pfister wurde 1963 geboren und wuchs in Zug sowie Allenwinden auf. Am Lehrerseminar St. Michael in der Stadt Zug absolvierte er die Primarlehrerausbildung und studierte später Geschichte und Germanistik an der Uni Freiburg. Erste berufliche Schritte unternahm Pfister als Lehrer sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter. Sein politisches Debüt gab er 2003 als Mitglied der Vormundschafts- und Sozialhilfekommission der Gemeinde Baar. Drei Jahre danach wurde Pfister in den Zuger Kantonsrat gewählt und stieg später zum Präsidenten der kantonalen CVP auf.
2016 trat er in den Regierungsrat ein, wo er das Amt des Gesundheitsdirektors bekleidete. In dieser Funktion wirkte der ausgebildete Lehrer unter anderem an der Seite von Bildungschef Stephan Schleiss.
Zu seinem Vor-Vorgänger in der kantonalen Gesundheitsdirektion, alt FDP-Ständerat Joachim Eder, hält Pfister freundschaftlichen Kontakt. Es versteht sich von selbst, dass ihm dieser auch während des Bundesratsrennens Mut zusprach, unter anderem per SMS: «Lieber Martin – aus FDP-Kreisen höre ich, dass dein Auftritt am Fraktions-Hearing matchentscheidend sein wird.» Und: «Du schriebst mir Anfang Monat von einem ‹ehrenvollen Resultat› – vergiss das! Es geht um deine Wahl! Weiterhin viel Glück.»
Die Gegenspieler
Für viele war Martin Pfister vor seinem Eintritt ins Bundesratsrennen ein Unbekannter. Auch sein Kontrahent Markus Ritter kannte ihn nicht. Nach seiner Niederlage gab sich der Mitte-Nationalrat zwar versöhnlich und betonte, mit Pfister gar einen Freund gewonnen zu haben. «Der Neue» in der Landesregierung steht nun in der Pflicht, sich mit seinen Bundesratskollegen zu arrangieren.
Mit Karin Keller-Sutter könnte er anecken. Er trifft gern klare aussenpolitische Aussagen: Den Ukraine-Krieg betitelt er als russischen Angriffskrieg. Die kritische Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance vor EU-Vertretern vom Februar stufte er gemäss Parlamentariern – im Widerspruch zu Keller-Sutter – als «überhaupt nicht schweizerisch» ein.
Klare Ansagen erhofft man sich von Pfister auch betreffend den abtretenden Geheimdienstchef Christian Dussey, der noch über ein Jahr im Amt bleiben soll. Thomas Hurter von der SVP ist nur einer von vielen Parlamentariern, die auf einen rascheren Abgang pochen. Dussey wird damit zur Hypothek für den Zentralschweizer Bundesrat.
Die neue Defensive
Das VBS und den Nachrichtendienst auf Vordermann zu bringen, hat für Pfister Priorität. Bei seiner Mission steht ihm Oberst Michele Moor zur Seite, Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft, die sich hinter den neuen Chef stellt. Wichtig wird auch die Zusammenarbeit mit Korpskommandant Laurent Michaud sein. Er ist verantwortlich für die Planung aller Operationen der Armee und gilt als ein Favorit für die Nachfolge von Armeechef Thomas Süssli.
Geht es hingegen um das Beerben von Geheimdienstchef Dussey, nennen viele Politiker Gabriel Lüchinger, den Chef der Abteilung Internationale Sicherheit im EDA, als Wunschkandidat.