«Ich bin enttäuscht vom fehlenden Mut»
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Virologe Cerny warnt:«Massnahmen sind zu spät und zu wenig stark»

Virologe Cerny zu den Bundesrats-Massnahmen
«Ich bin enttäuscht vom fehlenden Mut»

Der im Tessin wohnhafte Virologe Andreas Cerny beurteilt die Entscheide des Bundesrats für Corona-Massnahmen kritisch. Für ihn sind sie «too little too late».
Publiziert: 18.10.2020 um 19:33 Uhr
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Aktualisiert: 20.10.2020 um 12:19 Uhr
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Andreas Cerny, Infektiologe und Arzt in Lugano, beurteilt die Bundesrats-Entscheidungen kritisch.
Foto: zVg
Interview: Simone Stern

Der Bundesrat verhängt eine Maskenpflicht in allen öffentlichen Innenräumen, an Bahnhöfen und Tram-Haltestellen. Er besteht auf eine Sitzpflicht in Bars und Clubs und empfiehlt Homeoffice. Dem Virologen Andreas Cerny reicht das aber noch nicht.

BLICK: Herr Cerny, der Bundesrat greift zu strikten nationalen Corona-Massnahmen. Wie schätzen Sie diese ein?

Andreas Cerny: Der Bundesrat hat die aktuelle Situation gut dargestellt. Mich dünkt aber, die Lage sei nicht erst seit zehn Tagen bedrohlich. Auf der anderen Seite sind wenig evidente Massnahmen vorgestellt worden. Verschiedene Punkte – die Grossveranstaltungen, der Bildungsbereich, der Amateurbereich – werden den Kantonen überlassen. Insgesamt ist das «too little too late», also zu wenig, zu spät.

Es gibt eine Homeoffice-Empfehlung. Reicht diese oder braucht es striktere Ansagen?

Ich denke, die Empfehlung macht Sinn. Viele Unternahmen haben über den Sommer das Homeoffice ja nicht völlig aufgegeben. Aber es muss sicher mehr gemacht werden, als den Firmen Homeoffice ans Herz zu legen. Das ist klar.

Auch Grossveranstaltungen sind nicht verboten worden. Das ist kaum in Ihrem Sinn, oder?

Nicht so, nein. Man hat es den Kantonen überlassen, diese mit ihren Schutzkonzepten zu organisieren. Wenn aber die Kantone alles übernehmen müssen, ist das eine grosse Belastung des Contact Tracings, der Spitäler und letztlich besteht die Gefahr, dass in einzelnen Kantonen ein wirtschaftlicher Lockdown durchgeführt werden muss. Ich bin enttäuscht vom fehlenden Mut auf nationaler Ebene nicht etwas mehr zu machen.

Laut Bundesrat Berset soll mit diesen Massnahmen auch das Spitalpersonal geschont werden. Wie sehr entlasten diese Massnahmen das Personal wirklich?

Herr Berset hat es richtig gesagt: die Massnahmen, die wir jetzt ergreifen, zeigen erst in drei, vier Wochen Wirkung. Für die nächsten Wochen ist gesetzt, dass sich die Ansteckungszahlen innert sieben Tagen verdoppeln. Aber: Alles was wir tun, schützt das Personal.

Welche Entwicklung erwarten Sie nun konkret in den Spitälern?

Die Kantone stellen sich jetzt wieder auf eine angespanntere Covid-Situation ein. Wir hier im Tessin haben Erfahrung damit. Und diejenigen Kantone, die bei der ersten Welle kaum betroffen waren, werden jetzt selbst erleben wie es ist, wenn ganze Kolonnen von Ambulanzwagen vor dem Spital warten, um ihre Patienten zu hospitalisieren.

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