Nach dem Nein zur Selbstbestimmungs-Initiative am gestrigen Sonntag steht am Freitag die nächste wegweisende Entscheidung an: Der Bundesrat befindet über den Rahmenvertrag mit der EU.
Bislang sah es so aus, als ob die Regierung das institutionelle Abkommen, das den rechtlichen Rahmen fürs bilaterale Verhältnis zur EU bilden soll, bachab schicken würde. Während die beiden Freisinnigen und die CVPlerin Doris Leuthard (55) Ja zum Vertrag sagen wollten, lehnten die je zwei SVP- und SP-Bundesräte ihn ab.
Wahlkampfthema «Kolonialvertrag»
Doch laut mehreren Quellen wankt SVP-Magistrat Ueli Maurer (67) nun. Der Finanzminister wolle zustimmen, um so die Gleichwertigkeitsanerkennung der Schweizer Börsenregeln mit jenen der EU zu erhalten. So stünde es plötzlich 4:3 für das Abkommen.
Gerade weil die SVP das Abkommen ablehnt, würde der frühere SVP-Chef Maurer seine Partei damit in die Lage versetzen, mit dem Kampf gegen den «Kolonialvertrag» Wahlkampf zu betreiben.
BLICK weiss, dass sich die Parteien auf dieses Szenario vorbereiten. Die Linke will «aus allen Rohren» auf Maurer schiessen, sollte er Ja zum Vertrag sagen. Denn laut Medienberichten schwächt dieser den Schweizer Lohnschutz.
Für alle Parteichefs ein No-Go
Damit verletzt der Vertrag die roten Linien, die der Bundesrat festgelegt hat. Doch diese seien Aussenminister Ignazio Cassis (57, FDP) egal, wie er laut mehreren Quellen an den Von-Wattenwyl-Gesprächen vom 9. November deutlich gemacht habe.
Die Präsidenten von SP, CVP, SVP und der eigenen FDP hätten darauf gesagt, für sie sei der Angriff auf die roten Linien ein No-Go. Zwei Präsidenten seien dabei mit dem Tessiner so hart ins Gericht gegangen, dass man ihn später trösten musste.
Gössi warnt vor «Scherbenhaufen»
Spätestens seit da muss dem Bundesrat klar sein, dass der Vertrag im Parlament chancenlos ist. FDP-Chefin Petra Gössi (42) warnt mit Blick auf die Bundesratswahlen darum: «Ich fände es schwierig, wenn der Bundesrat am Freitag in der alten Zusammensetzung einen Entscheid zum Rahmenvertrag fällen würde, den auch die in wenigen Wochen neu gewählten Bundesratsmitglieder mittragen müssten. Bricht der Bundesrat den Entscheid Ende Woche übers Knie, droht ein Scherbenhaufen.»
Das Dossier liegt seit Jahren auf dem Tisch – und ist mittlerweile ein tonnenschwerer Papierstapel. Für alle, die die Übersicht verloren haben, macht BLICK die Auslegeordnung im EU-Poker:
Der Bundesrat will den bilateralen Weg weitergehen und neue Abkommen schliessen, die unserer Wirtschaft den Zugang zum EU-Markt erleichtern. Er hat zugestimmt, ein Rahmenabkommen zu verhandeln. Das – geheime – Mandat wurde im Mai 2014 verabschiedet.
Doch es war Brüssel, das ein Rahmenabkommen verlangt hat. Es hat genug von der «Rosinenpickerei» der Schweiz und fordert: Wenn ihr neue Abkommen wollt, dann müssen wir sicherstellen, dass ihr Änderungen des EU-Rechts in den bislang 120 Verträgen mit übernehmt. Es soll nicht bei jedem Abkommen nachverhandelt werden, sondern das soll automatisch passieren.
Das Rahmenabkommen soll die bilateralen Verträge in einen Rahmen einbetten. Dieser regelt:
- Wie Abkommen angepasst werden, wenn sich das EU-Recht entwickelt.
- Wer überwacht, dass beide Seiten die Abkommen richtig anwenden.
- Wie wird sichergestellt, dass beide Seiten die Abkommen gleich auslegen.
- Wer richtet, wenn es Streit über diese Fragen gibt.
Umstritten ist vor allem der letzte Punkt. In der Schweiz will man nicht, dass EU-Richter, also «fremde Richter» Streitfragen entscheiden. Doch dem Vernehmen nach hat man sich auf eine Lösung geeinigt, mit der die EU leben kann, und von der der Bundesrat überzeugt ist, die Schweizer Stimmbürger überzeugen zu können.
Der Bundesrat hat rote Linien für die Verhandlungen definiert. Das sind sie:
- Die Schweiz wird die EU-Bürgerschaftsrichtlinie nicht übernehmen. Diese würde EU-Bürgern ein Niederlassungsrecht in der Schweiz und damit uneingeschränkten Zugang zur Sozialhilfe geben.
- Auch über die flankierenden Massnahmen – den Schutz der hohen Schweizer Löhne – verhandelt die Schweiz nicht. Das hatte der Bundesrat im Sommer nochmals bestätigt, nachdem Aussenminister Ignazio Cassis (57) mit der Idee, sie doch als Verhandlungsmasse einzubringen, vorgeprescht war.
Das Rahmenabkomen ist wichtig, weil es ohne dieses keine neuen Verträge gibt, die Schweizer Unternehmen Zugang zum EU-Markt geben. Darauf drängt vor allem der Finanzplatz. Bis heute müssen unsere Banken, Versicherungen und Vermögensverwalter eine Filiale in der EU haben, wenn sie mit dortigen Kunden geschäften wollen. Diese Hürde würde wegfallen.
Das Dossier liegt seit Jahren auf dem Tisch – und ist mittlerweile ein tonnenschwerer Papierstapel. Für alle, die die Übersicht verloren haben, macht BLICK die Auslegeordnung im EU-Poker:
Der Bundesrat will den bilateralen Weg weitergehen und neue Abkommen schliessen, die unserer Wirtschaft den Zugang zum EU-Markt erleichtern. Er hat zugestimmt, ein Rahmenabkommen zu verhandeln. Das – geheime – Mandat wurde im Mai 2014 verabschiedet.
Doch es war Brüssel, das ein Rahmenabkommen verlangt hat. Es hat genug von der «Rosinenpickerei» der Schweiz und fordert: Wenn ihr neue Abkommen wollt, dann müssen wir sicherstellen, dass ihr Änderungen des EU-Rechts in den bislang 120 Verträgen mit übernehmt. Es soll nicht bei jedem Abkommen nachverhandelt werden, sondern das soll automatisch passieren.
Das Rahmenabkommen soll die bilateralen Verträge in einen Rahmen einbetten. Dieser regelt:
- Wie Abkommen angepasst werden, wenn sich das EU-Recht entwickelt.
- Wer überwacht, dass beide Seiten die Abkommen richtig anwenden.
- Wie wird sichergestellt, dass beide Seiten die Abkommen gleich auslegen.
- Wer richtet, wenn es Streit über diese Fragen gibt.
Umstritten ist vor allem der letzte Punkt. In der Schweiz will man nicht, dass EU-Richter, also «fremde Richter» Streitfragen entscheiden. Doch dem Vernehmen nach hat man sich auf eine Lösung geeinigt, mit der die EU leben kann, und von der der Bundesrat überzeugt ist, die Schweizer Stimmbürger überzeugen zu können.
Der Bundesrat hat rote Linien für die Verhandlungen definiert. Das sind sie:
- Die Schweiz wird die EU-Bürgerschaftsrichtlinie nicht übernehmen. Diese würde EU-Bürgern ein Niederlassungsrecht in der Schweiz und damit uneingeschränkten Zugang zur Sozialhilfe geben.
- Auch über die flankierenden Massnahmen – den Schutz der hohen Schweizer Löhne – verhandelt die Schweiz nicht. Das hatte der Bundesrat im Sommer nochmals bestätigt, nachdem Aussenminister Ignazio Cassis (57) mit der Idee, sie doch als Verhandlungsmasse einzubringen, vorgeprescht war.
Das Rahmenabkomen ist wichtig, weil es ohne dieses keine neuen Verträge gibt, die Schweizer Unternehmen Zugang zum EU-Markt geben. Darauf drängt vor allem der Finanzplatz. Bis heute müssen unsere Banken, Versicherungen und Vermögensverwalter eine Filiale in der EU haben, wenn sie mit dortigen Kunden geschäften wollen. Diese Hürde würde wegfallen.