Energiepolitiker Stefan Müller-Altermatt
«Das letzte AKW geht viel früher vom Netz, als man heute denkt»

CVP-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt (SO) präsidiert die nationalrätliche Energiekommission. Im Interview erklärt er, wie es mit der Energiepolitik nun weitergeht.
Publiziert: 21.05.2017 um 17:17 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 04:07 Uhr
CVP-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt präsidiert die nationalrätliche Energiekommission.
Foto: KEYSTONE/MARCEL BIERI
Ruedi Studer

BLICK: Herr Müller, das Energiegesetz kommt klar durch. Überrascht Sie diese Deutlichkeit?
Stefan Müller-Altermatt: Jein. Ich habe zu Beginn der Kampagne mit einem solchen Resultat gerechnet. Doch angesichts der extremen Gegenkampagne kam ich gegen Schluss etwas ins Bibbern.

Das Gesetz ist zwar durch, doch jetzt beginnt mit der konkreten Umsetzung die wirkliche Arbeit.
Die Energiepolitik ist immer in Arbeit. Sie ist wie ein Ozeandampfer. Wir haben das Ruder nun so eingestellt, dass wir nicht mit voller Wucht in den Eisberg prallen. Doch jetzt müssen wir weitersteuern und beispielsweise auch Fragen klären wie die nach der Versorgungssicherheit im Winter.

Gerade im Winter ist die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet?
Wenn ich hier den Stein der Weisen gefunden hätte, hätte ich ihn Doris Leuthard längst geschenkt (lacht). Zur Diskussion steht derzeit etwa ein Strommarktdesign mit Kapazitätsmärkten. Das heisst, dass der Kapazitätsbedarf ausgeschrieben wird und ein Lieferant die Versorgung auch im Winter garantiert.

Das grosse Sorgenkind ist die Wasserkraft. Schon in der Sommersession entscheidet der Nationalrat quasi über einen Wasserkraftzwang für Privatkonsumenten. Zwang als Lösung?
Es ist ein radikaler und schwieriger Schritt, der aber auch positiv beleuchtet werden kann. Wenn die Stromkunden schon mehr ausgeben müssen, weil sonst die Stromkonzerne in den Bankrott schlittern, dann doch wohl am liebsten für einheimische Wasserkraft. 

Die anderen erneuerbaren Energien werden doch dadurch diskriminiert.
Diese Frage müssen wir noch klären. Aber ich bin auch der Meinung, dass ein Upgrade von blauer zu grüner Energie möglich sein muss. Es ist auch möglich, dass das Thema Wasserkraft aus der jetzigen Vorlage ausgelagert und später behandelt wird.

Das von alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf aufgegleiste Energielenkungssystem dürfte nun im Parlament beerdigt werden. Was ist die Alternative?
Lenkung ist richtig und nötig. Mit der CO2-Abgabe haben wir aber bereits ein Lenkungssystem, auf welchem wir aufbauen können. Eine mögliche Variante ist auch eine Dreckstromabgabe auf ausländischen Kohlestrom – die allerdings handelsrechtliche Probleme mit sich bringt.

Im Herbst kommt das CO2-Gesetz ins Parlament. Werden da weitere Pflöcke eingeschlagen?
Die Kommission wird sich mit der Frage beschäftigen, wie wir die Klimaziele erreichen. Es braucht ein CO2-Reduktionsziel von 50 Prozent. Ein Teil davon muss auch im Ausland kompensiert werden können.

Mit dem heutigen Ja ist der schrittweise Atomausstieg beschlossen, aber nicht terminiert. Wie ist Ihre Prognose – wann geht das letzte AKW in der Schweiz vom Netz?
Das ist die grosse Frage. Sie werden laufen, solange sie sicher sind. Mein Tipp: Das letzte AKW geht viel früher vom Netz, als man heute denkt – aus wirtschaftlichen Gründen, nicht wegen der Politik.

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