Er will nichts weniger als einen «Neubeginn in Europa»: Der französische Präsident Emmanuel Macron (41) hat einen fünfseitigen Brief an die «Bürgerinnen und Bürger Europas» verfasst. «Im Namen der Geschichte und Werte, die uns einen», tue er es. Aber vor allem, weil «dringend gehandelt werden muss».
Macron: «Wir müssen den Schengen-Raum überdenken»
Handeln will Macron in einem Bereich, der für die Schweiz schwerwiegende Konsequenzen hätte: im Schengen-Raum. Seit 2008 ist die Schweiz Teil davon, 2005 haben die Stimmbürger mit 54,6 Prozent Ja zu Schengen gesagt. Dank dem Schengener Abkommen können Schweizer ohne Passkontrolle Grenzen überschreiten. Und die Schweizer Polizei ist im Kampf gegen die Kriminalität mit den Kollegen im EU-Raum vernetzt. Zudem können Asylbewerber dank dem Schengen-Dublin-System nur in einem europäischen Land Asyl beantragen.
Doch das System sei gescheitert, sagt Macron. «Wir müssen den Schengen-Raum neu überdenken!» Konkret fordert er strengere Grenzkontrollen und eine «gemeinsame Asylpolitik mit einheitlichen Regeln für Anerkennung und Ablehnung».
Pikant: Emmanuel Macron schwebt eine «gemeinsame Grenzpolizei und eine europäische Asylbehörde» vor. Er glaube «angesichts der Migration an ein Europa, das sowohl seine Werte als auch seine Grenzen beschützt».
Er will also eine zentrale Brüsseler Asylbehörde und einheitliche Asylverfahren. Damit würde die Schweizer Asylreform Makulatur. Zudem müsste unser Land bei der Schengen-Polizei mitmachen. Schweizer Polizisten stünden also in Malta oder Schweden.
Gössi will keine Einheitspolizei
Das stösst in EU-freundlichen Parteien auf unterschiedliche Reaktionen. FDP-Präsidentin Petra Gössi (43). «Eine schengenweite Einheitspolizei ist ein No-Go. Der Informationsaustausch zwischen den Ländern Europas muss aber natürlich gut funktionieren», sagt sie.
Und auch eine einheitliche Behörde stört Gössi: «Eine eigentliche Brüsseler Asylbehörde funktioniert für mich ebenfalls nicht. Föderalistisch organisiert klappt das besser. Eine zentrale EU-Asylbehörde wäre ein Bürokratiekoloss. Bei uns ist ja gerade eben die neue Asylstruktur mit den beschleunigten Verfahren in Kraft getreten. Diese schon wieder über den Haufen zu werfen, wäre falsch.»
«Macron geht es ja um die EU-Länder an der Südgrenze Europas. Die EU muss sich selbst um ihre dortigen Probleme kümmern», findet sie.
FDP-Müller: «Macron muss zuerst seinen eigenen Laden in Griff kriegen»
Auch den früheren FDP-Präsidenten überzeugen Macrons Pläne kaum. Philipp Müller (66). «Herr Macron muss zuallererst seinen eigenen Laden in den Griff bekommen!», so der freisinnige Ständerat. «Sein Vorgehen ist zu durchsichtig. Wenn es zu Hause rumpelt, sorgt man dafür, dass es in der Nachbarschaft chlöpft», sagt der Aargauer. Zudem sei man sich im Asylbereich innerhalb der EU noch nie «auch nur in einem Punkt» einig geworden. «Wegen Macron müssen wir uns also keine Sorgen machen.»
Einig ist er sich mit dem französischen Präsidenten, dass Europa «seine Grenzen abriegeln» müsse. «Bei einem Bevölkerungswachstum von 40 Millionen Menschen im Jahr nützt es doch nichts, wenn Europa 180'000 Leute jährlich aufnehmen will», sagt Müller. «Und wenn wir nichts unternehmen, um die Situation in Afrika zu verbessern, werden dennoch weiterhin Tausende Menschen zu uns strömen. Dann wird die Schweiz zu Kalifornien – mit Reichenresorts und Armengettos.»
Es brauche einen Marshallplan für Afrika mit Investitionen ins Gesundheitswesen, in die Infrastruktur, zur Eindämmung von Korruption und «in Bildung, Bildung, Bildung». Diesen müsse aber die Uno aufgleisen.
SP-Nussbaumer: «Wir müssen für den gemeinsamen Schutz sorgen»
Auffallend ist: Bei der SP, die sich in jüngster Zeit wegen des Rahmenabkommens kritisch zeigte, fühlt man sich ob Macrons Worten im gemeinsamen europäischen Gedanken bestätigt. Zumindest geht das Eric Nussbaumer (58, SP) so. Als Schengenland müsse die Schweiz auch beim Schutz solidarisch sein. «Eine gemeinsame europäische Grenzpolizei, also auch mit Unterstützung durch Schweizer Polizisten im EU-Raum, macht Sinn. Wir dürfen die europäischen Länder am Mittelmeer mit den Herausforderungen der Migration nicht allein lassen.»
Im Grünen-Lager gibt man sich auffallend ablehnend Macron gegenüber. «Die Souveränität der Schengenstaaten – also auch der Schweiz – ist jetzt wichtiger. Klar wäre es wünschenswert, wenn die Migration- und Asylprobleme europäisch gemeinsam angepackt würden. Aber ich finde es einen schwierigen Moment, um überhaupt über so etwas zu diskutieren», so Nationalrätin Sibel Arslan (38).
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (41) warnt vor nationalistischer Abschottung in Europa. In Zeitungen aller 28 EU-Mitgliedsländer wendet er sich an die Bürger Europas. Macron regt eine Erneuerung an.
Er schreibt, Europa sei noch nie in so grosser Gefahr gewesen, von jenen zerstört zu werden, die nationalistische Abschottung predigten und mit falschen Behauptungen die Wut der Menschen ausnutzten.
Nationalisten irren
Die Nationalisten irrten, wenn sie behaupteten, sie würden unsere Identität durch den Rückzug aus Europa schützen. «Denn es ist die europäische Zivilisation, die uns eint, uns frei macht und uns schützt.»
Europa stehe am Scheidepunkt, an dem wir unsere Zivilisation neu erfinden müssten. «Das ist der Moment des Neubeginns in Europa.»
Verbannung von Hasskommentaren
Konkret fordert Macron eine EU-Agentur für den Schutz der Demokratie zum Kampf gegen Hackerangriffe bei Wahlen. Zudem brauche es Regeln zur Verbannung von Hass- und Gewaltkommentaren aus dem Internet.
Darüber hinaus will Macron die Finanzierung europäischer Parteien durch fremde Mächte verbieten. (pt)
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