Nach dem Ja der Briten zum EU-Austritt liegen die Chancen der Schweiz praktisch bei Null, vor dem 9. Februar 2017 eine Lösung mit der Union in Sachen Masseneinwanderungsinitiative zu finden. Gestiegen sind dafür aus Sicht von Aussenpolitikern die Chancen, sich während der Wartezeit zumindest einmal innenpolitisch auf eine Gangart zu verständigen.
So steht nun im Raum, was einige Politiker bereits seit Längerem gefordert haben: ein Gegenentwurf zur Rasa-Initiative. Letztere fordert unter dem Titel «Raus aus der Sackgasse!», Artikel 121a, den das Stimmvolk vor zweieinhalb Jahren knapp angenommen hat, wieder aus der Verfassung zu kippen. Im Oktober war die Initiative bei der Bundeskanzlei eingereicht worden.
«Gretchenfrage» soll vors Volk
«Es muss jetzt einen Gegenentwurf zu Rasa geben», sagt der Zürcher SP-Nationalrat Martin Naef. Denn das sei der «einzige Weg aus der Sackgasse, den man auch an der Urne gewinnen kann».
Dabei laufe es darauf hinaus, dass dem Volk «die Gretchenfrage gestellt werden» müsse: Will es die Bilateralen erhalten oder die Masseneinwanderungsinitiative wortgetreu umsetzen? «Diese Frage ist nach wie vor ungeklärt.»
Druck auf Bundsrat und Parlament gestiegen
Auch aus Sicht von CVP-Parlamentarierin Kathy Riklin und dem SP-Nationalrat Tim Guldimann ist klar, dass der Druck auf Parlament und Bundesrat gestiegen ist, einen Gegenentwurf zu formulieren. Dies wäre eine «saubere Lösung», ist Guldimann überzeugt. Es gehe darum, die Bilateralen zu retten und auszubauen. «Die Alternative ist, dass unser Verhältnis mit der EU blockiert wird. Besonders für die Wirtschaft, die nun Sicherheit braucht, wäre das gefährlich.»
Wie ein solcher Gegenvorschlag konkret aussehen würde, ist allerdings unklar. Der Vorschlag des aussenpolitischen Think-Tanks Foraus, einen sogenannten Konkordanzartikel zu formulieren, sieht Thomas Geiser, HSG-Professor und Mit-Initiant von Rasa, eher kritisch. «Das ist eine Option – doch wie alle anderen liegt sie derzeit schlichtweg noch nicht auf dem Tisch», gibt er zu bedenken.
SP-Politiker Naef schlägt vor, die Personenfreizügigkeit als explizite Ausnahme von Verfassungsartikel 121a zu formulieren. Womit Kontingente und ein Inländervorrang, wie es die Masseneinwanderungs-Initiative fordert, nur für Einwanderer aus Drittstaaten gelten würden.
Schneider-Ammann äussert sich zurückhaltend
Bundespräsident Johann Schneider-Ammann hielt sich heute Morgen bedeckt, was zu erwartende Konsequenzen des Brexit auf die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative anging.
Man sei weiterhin bestrebt, die Gespräche mit der EU fortzuführen, sagte er. Und fügte diplomatisch an: «Die Diskussionen sind nach dem britischen Verdikt nicht einfacher geworden.»