Ein Jahr länger arbeiten
Frauenkomitee findet AHV-Reform unfair

Gleich lang arbeiten wie Männer? Für ein Frauenkomitee, das gegen die AHV-Reform kämpft, kommt das nicht infrage. Zuerst brauche es Verbesserungen bei Gleichstellung, Steuern und in der zweiten Säule.
Publiziert: 22.08.2022 um 12:23 Uhr
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SP-Nationalrätin kämpft für ein Nein zur AHV-Reform an 25. September.
Foto: keystone-sda.ch

Ein Frauenkomitee hat am Montag in Bern die AHV-Reform, über die am 25. September abgestimmt wird, als verfrüht und unfair kritisiert. Vor einer Erhöhung des Frauenrentenalters brauche es eine tatsächliche Gleichstellung in der Arbeitswelt.

Mit der Reform AHV 21, die eine Erhöhung des Frauen-Rentenalters auf 65 Jahre vorsieht, werde auf Kosten der Frauen gespart, stellte das Frauenkomitee fest. Es besteht aus Frauen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Landwirtschaft und Politik. Frauen seien heute in der Rente finanziell deutlich schlechter gestellt als Männer. Sie erhielten über alle drei Säulen hinweg 37 Prozent respektive jährlich fast 20’000 Franken weniger Rente.

Frauen arbeiteten öfter aus familiären Gründen Teilzeit, häufiger in Tieflohnbranchen, leisteten mehr unbezahlte Arbeit und verdienten jährlich rund 100 Milliarden weniger am Arbeitsmarkt als Männer. Sie würden deshalb von der beruflichen Vorsorge schlechter oder gar nicht versichert, argumentierten die Vertreterinnen des Frauenkomitees.

Zuerst brauche es Pensionskassen-Reform

Die Baselbieter Ständerätin Maya Graf (Grüne, 60) forderte daher vor einer Erhöhung des Frauenrentenalters eine Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) mit der Abschaffung des fixen Koordinationsabzugs sowie die Durchsetzung von Lohngleichheit. Nur so seien Frauen in der beruflichen Vorsorge anteilsmässig gleich gut versichert, stellte die Co-Präsidentin von Alliance F fest. Die Organisation beschloss im März Stimmfreigabe zur AHV-Reform.

Zur Verbesserung der Rentensituation der Frauen braucht es nach Ansicht dieses Nein-Komitees zur AHV 21 aber noch mehr. Für die Zürcher SP-Nationalrätin Min Li Marti (48) verschärfen die mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie ein Steuermodell, das Zweitverdienende bestraft, die Situation von Frauen weiter. Die AHV solle mit der Reform einseitig auf dem Buckel der Frauen saniert werden.

Mehr Frauen in Führungspositionen

Bevor das Rentenalter der Frauen erhöht werde, brauche es zuerst eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine konsequente Umsetzung der Lohngleichheit und die Einführung der Individualbesteuerung, findet Marti.

Eine echte Gleichstellung in der Arbeitswelt bedeute, dass Frauen auf allen beruflichen Ebenen, insbesondere in Kaderpositionen, endlich angemessen vertreten seien, hält das Frauenkomitee weiter fest. Es brauche eine juristisch verbindliche Durchsetzung der Lohngleichheit und Sanktionsmöglichkeiten.

Solange notwendige Verbesserungen nicht erzielt und eine tatsächliche Gleichstellung nicht realisiert seien, bedeute die Erhöhung des Rentenalters eine unfaire Reform auf Kosten der Frauen, stellte auch Steuerexpertin Danielle Axelroud fest. Unbezahlte Haus- und Pflegearbeit werde nämlich nach wie vor weitgehend von Frauen geleistet. Diese Arbeit werde aber nur bei der Berechnung der AHV-Renten berücksichtigt, nicht bei der BVG.

Altersarmut sei weiblich

Altersarmut ist laut den Frauenkomitee heute weiblich. Elf Prozent der Neurentnerinnen seien bei Eintritt in die Rente direkt auf Ergänzungsleistungen angewiesen, bei den Männern seien es sieben Prozent. Die Hälfte aller Frauen, die 2019 in Rente gegangen seien, hätten mit weniger als 1770 Franken AHV auskommen müssen.

Ein Viertel der Frauen erhalte bei ihrer Pensionierung nur die AHV und keine zweite oder dritte Säule, sagte Biobäuerin und Pflegefachfrau Nadia Graber. Gerade bei Bäuerinnen sei dies ein grosses Thema, weil die soziale Absicherung für mitarbeitende Ehefrauen oder Partnerinnen, Mütter und Stiefmütter gesetzlich noch immer nicht geregelt sei. (SDA)

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