Ein Jahr Klima-Demos
Firmen kommen von jungen Aktivisten unter Druck

Konsumenten verlangen nachhaltige Produkte – und prangern Unternehmen an, die sich in ihren Augen unethisch verhalten.
Publiziert: 19.01.2020 um 00:12 Uhr
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Vor einem Jahr, im Januar 2019, fand die erste national koordinierte Aktion fürs Klima statt.
Foto: Keystone
Camilla Alabor und Dana Liechti

Für Siemens war es eine schwarze Woche: Der deutsche Industriekonzern geriet wegen seines Engagements in ­einer Kohlemine in die Schlag­zeilen – und scheiterte beim ­Versuch, die Klimaaktivisten zu besänftigen. Was bleibt, ist ein ­erheblicher Imageschaden. Vor allem aber zeigten Siemens’ Anstrengungen, den jugendlichen Kritikern entgegenzukommen, die Macht der Klimabewegung auf.

Und das gerade Mal zwölf Monate nach deren Entstehung. In der Schweiz fand vor einem Jahr die erste national koordinierte ­Aktion fürs Klima statt. Seither beschäftigt die Debatte das Land – und die Wirtschaft. Das bestätigt Rolf Wüstenhagen, Professor für das Management erneuerbarer Energien an der Uni St.Gallen. «In der Wirtschaft hat ein Umdenken stattgefunden», stellt er fest.

Dieselbe Erfahrung macht Dominik Stutz. Er ist beim WWF für Partnerschaften mit Firmen wie Coop oder Swisscom verantwortlich, in denen die Umweltorganisation Unternehmen hilft, negative Effekte auf die Umwelt zu reduzieren. Er sagt: «Seit dem Klimaabkommen von Paris haben wir den Anspruch, den CO2-Ausstoss Richtung netto null zu reduzieren.»

Über 100 Neumitglieder bei Swisscleantech

Früher sei es schwierig gewesen, das Bewusstsein dafür zu schaffen. Die Klimadebatte habe das geändert, die vereinbarten Ziele seien nun ambitionierter. Auch Christian Zeyer, Geschäftsführer von Swisscleantech, stellt eine neue Offenheit für klimapolitische Themen fest. Der Wirtschaftsverband gewann im letzten Jahr über 100 neue Mitglieder, darunter Swisscom und Zürcher Kantonalbank, und wuchs auf über 350 Unternehmen.

Mehrere Mitgliedsunternehmen von Swisscleantech lancierten 2019 die Ini­tiative «CEO 4 Cli­mate» (so viel wie: «Chefs für das Klima»). Zeyer erklärt: «Die Firmenchefs appellieren an die Politik: Wir möchten mithelfen, das Ziel von netto null zu erreichen, brauchen dafür aber entsprechende Rahmenbedingungen.» Ihn habe überrascht, wie viele Firmen bei der Initiative mitmachen wollten, so Zeyer. «Normalerweise ist es recht schwierig, einen CEO dazu zu bringen, sich politisch zu äussern.»

Auch im Bereich der Ernährung tut sich etwas: Zwar sind Veganer weiterhin eine kleine Minderheit. Doch immer mehr Menschen finden Gefallen an Produkten, die ohne tierische Zutaten auskommen. «Das Interesse an der veganen Ernährung ist in der Schweiz stark angestiegen», sagt Raphael Neuburger, Präsident der Veganen Gesellschaft Schweiz. «Wir haben in letzter Zeit mehr Anfragen zu verzeichnen als je zuvor. Momentan sind es etwa zwölf pro Tag.» Letztes Jahr seien die Mitgliederzahlen um ein Drittel auf über 1000 zahlende Mitglieder gestiegen. Vor allem junge Frauen, so Neuburger, interessierten sich für den Veganismus.

Den Trend spürt man auch beim Vegi-Restaurant Tibits, das Filialen in allen grösseren Schweizer Städten betreibt. «Wir verzeichneten ein sehr erfolgreiches Jahr und sind im zweistelligen Bereich gewachsen», sagt Mitgründer Reto Frei. Auch Männer gingen mittlerweile viel selbstverständlicher mit einer pflanzlichen Ernährung um.

Vegane Produkte sind beliebt

Auch Klima-Ikone Greta Thunberg kehrte am Freitag in Lausanne im Tibits ein und liess sich ein veganes Menü zusammenstellen. Bei den Grossverteilern Migros und Coop hat die steigende Nachfrage nach pflanzlichen Produkten bereits vor der Klimadebatte eingesetzt – und nimmt seither kontinuierlich zu. «Die Auswahl veganer Produkte ist rasant angestiegen», hält Raphael Neuburger von der Veganen Gesellschaft fest.

Bei Coop liegen mittlerweile rund 600 vegane Produkte in den Regalen, bei Migros sind es 536 – 65 davon sind alleine 2019 dazugekommen. Besonders beliebt sind Pflanzenmilch und Ersatzprodukte wie vegane Burger oder Käse aus Cashewnüssen.

Wird die Schweizer Wirtschaft also demnächst rundum grün? Ganz so schnell dürfte es nicht gehen.

Vielerorts fehle es weiterhin am Bewusstsein für die Dringlichkeit des Themas, sagt Professor Wüstenhagen. Auch der wichtige Bankensektor sei eher konservativ unterwegs, so der Management-Professor: «Sowohl die CS wie auch die UBS tun sich schwer damit, sich von Investitionen in fossile Energie zu verabschieden.»

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