Um zwölf Uhr mittags schlossen gestern die Urnen zur wirtschaftspolitisch wichtigsten Abstimmung der letzten Jahre. Wenn nicht sogar Jahrzehnte.
Momente später war es um die Steuerreform (USR III) bereits geschehen: der Kanton Zürich vermeldete ein Waterloo. Fast zwei Drittel der Stimmbürger versenkten laut der ersten Hochrechnung die Reform.
Im noch halb leeren Kulturzentrum Progr in Bern brach erstmals Jubel unter den USR-III-Gegnern aus. Im 600 Meter entfernten Luxushotel Bellevue, wo sich die Befürworter trafen, war die Stimmung bereits am Tiefpunkt angelangt.
Die SP hat zusammen mit den Grünen und den Gewerkschaften die bürgerlichen Parteien, die kantonalen Finanzdirektoren und die Wirtschaftsverbände gebodigt. Bis weit ins bürgerliche Lager holten die Linksparteien Stimmen. Das Volk löst mit 59,1 Prozent Nein-Anteil zur USR III ein politisches Erdbeben aus – verpasst der Polit- und Wirtschaftselite im Land eine schallende Ohrfeige, die nachhallen wird.
Ein Scheitern war anfangs undenkbar
Dabei hat es für die Befürworter optimal begonnen. Geschlossen trat der bürgerliche Block für die Reform ein. Ein Scheitern war im Spätherbst 2016 undenkbar. Zu übermächtig schienen die Befürworter. Sogar aus der SP gab es Unterstützung. Die Basler Finanzdirektorin Eva Herzog kämpfte mit viel Engagement für die Reform – und gegen die eigene Partei. Erste Umfragen sagten ein klares Ja voraus.
Als der Abstimmungskampf 2017 so richtig entbrannte, kippte die Stimmung. Man habe im Volk die Skepsis immer stärker gespürt, erzählen linke Politiker und Gewerkschafter. Am 23. Januar dann die Bombe: die Architektin der ursprünglichen Reform, alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, distanzierte sich im BLICK von der Reform.
Im bürgerlichen Lager herrschte ab diesem Zeitpunkt Aufruhr. Alles, was Rang und Namen hat, warnte vor einem Nein. Mit der steigenden Nervosität der Elite wurde das Stimmvolk offensichtlich skeptischer. Profitieren wirklich alle von dieser Reform – auch der Mittelstand? Oder vielleicht doch vor allem Steuerberater und Aktionäre?
Ueli Maurer verliert entscheidende Vorlage
An der gestrigen Medienkonferenz des Bundesrats war sie dann da, die Elite, die vom Volk gebodigt wurde. Finanzminister Ueli Maurer sass wie ein begossener Pudel da. Neben der wichtigsten Abstimmung als Verteidigungsminister, dem Nein zum Gripen, und seiner wichtigsten Abstimmung als Sportminister, dem Nein zu Olympia vor vier Jahren, verliert er jetzt auch seine entscheidende Vorlage als Finanzminister.
Verbockt hat er es nicht alleine, und doch gehört auch er zu jener SVP-Elite, die den Firmen von den Lippen abliest.
Sichtlich genervt gab er Antworten. Wo er den Abstimmungsgewinnern entgegenkommen kann, wollte er nicht sagen. Dafür sprach er mindestens sechsmal von einer «Gefahr». Von der Gefahr der Firmenabwanderung, von Steuerausfällen, von Arbeitsplatzabbau.
Die SP-Sympathisanten kümmerten sich nicht um diese Schwarzmalerei. Bis in die Abendstunden feierten sie im Progr weiter. Es ist der grösste Triumph der Linkspartei seit Jahren, für SP-Chef Christian Levrat gar «ein Wendepunkt dieser Legislatur».
Sie war der USR-III-Gamechanger: alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. «Die Vorlage ist aus der Balance geraten. Es gibt nirgends mehr eine Gegenfinanzierung», sagte die Architektin der ursprünglichen Reform im BLICK. Seither ist die Bündnerin abgetaucht. Auch heute beantwortete sie keine Fragen. Die ehemalige Finanzministerin erlebte einen erfolgreichen Abstimmungssonntag: Als Patin setzte sie sich auch für die erleichterte Einbürgerung von Ausländern der dritten Generation ein. Nico Menzato
Sie war der USR-III-Gamechanger: alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. «Die Vorlage ist aus der Balance geraten. Es gibt nirgends mehr eine Gegenfinanzierung», sagte die Architektin der ursprünglichen Reform im BLICK. Seither ist die Bündnerin abgetaucht. Auch heute beantwortete sie keine Fragen. Die ehemalige Finanzministerin erlebte einen erfolgreichen Abstimmungssonntag: Als Patin setzte sie sich auch für die erleichterte Einbürgerung von Ausländern der dritten Generation ein. Nico Menzato