Ein ehemaliger Topmanager der Credit Suisse trägt jetzt Bart. Wir wissen nicht, was den hier nicht namentlich genannten Prominenten dazu bewogen hat, seine Gesichtsbehaarung wachsen zu lassen – ist es Ausdruck der gewonnenen ruheständlichen Musse? Geht er fischen, modelliert er Gipsskulpturen, züchtet er Bienen? Oder identifiziert sich der millionenschwere Frührentner neuerdings mit den Ewigmorgigen des Silicon Valley? Scharwenzelt er mit Amerikas Tech-Grössen, den unrasierten Halbgöttern in weissen Turnschuhen?
Schliesslich sind Stoppeln wieder en vogue und die Zeiten längst vorbei, als Geheimrat Goethe den Bart als frivoles Geschlechtsmerkmal bezeichnete, das nichts im Gesicht verloren habe.
Sicher ist: Die neue weisse Pracht im Antlitz des besagten Schweizer Wirtschaftsfürsten markiert äusserlich seine Distanz zu den glatt rasierten und Anzug tragenden Bankern vom Paradeplatz, zu denen er bis vor kurzem gehörte. Es ist ein gewollter Bruch mit seiner beruflichen Vergangenheit, die ihn am 19. März, als der Staat die CS per Notrecht an die UBS verhökerte, in die Liga der Buhmänner katapultierte. Eine Clique hoch bezahlter Kapitäne hatte die Alfred-Escher-Bank nach 176 Jahren in den Abgrund gesteuert.
Der womöglich beabsichtigte Nebeneffekt dieses Bartes ist die Tarnung: Der Ex-CS-Mann ist in der Öffentlichkeit nicht mehr so leicht zu erkennen; so werden die Borsten in seinem Gesicht zum Schutzzaun vor gesellschaftlicher Ächtung.
Der Bart dient im Mediengeschäft auch als Metapher: Hat eine Story «einen Bart», dann ist sie alt, dann ist Gras darüber gewachsen. Und so etwas geht schnell. Crypto-Leaks, Corona-Lockdown, Indiskretionen aus dem Departement Berset – war da was? Die Karawane ist weitergezogen. So wird es vielleicht eines Tages auch mit dem CS-Debakel geschehen.
Verhindern will dies die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK), die am Freitag ihre Arbeit aufgenommen hat. Ob aus ihren Bemühungen mehr als ein paar Empfehlungen zur Reform der Finanzplatzregulierung herausspringen werden, steht in den Sternen. Es ist nicht einmal sicher, ob die Hauptverantwortlichen des Schiffbruchs, also die damaligen Chefs der Bank, überhaupt je zur Befragung erscheinen werden. Unser Bartträger wird den PUK-Ermittlungen also gelassen entgegenblicken können.