Economiesuisse muss den Gürtel enger schnallen
Dachverband mit klammen Kassen

Vor den wichtigen Europa-Entscheiden fehlt es Economiesuisse an Geld. Direktorin Monika Rühl hat eine «Verzichtsplanung» angeordnet.
Publiziert: 21.01.2018 um 12:15 Uhr
|
Aktualisiert: 14.09.2018 um 19:35 Uhr
1/2
Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer und Direktorin Monika Rühl haben der SVP den Kampf angesagt.
Foto: Keystone
Reza Rafi

Zu den Häppchen gab es Pinot noir «Saint Guerin», einen Rotwein aus dem Wallis. Drei Jahre nach Christoph Blochers Sieg bei der EWR-Abstimmung hatte sich die Schweizer Wirtschaft im Herbst 1995 zum Grossaufgebot versammelt. Im Zürcher Kongresshaus feierte die Elite das 125-jährige Bestehen des Wirtschaftsdachverbandes Vorort. Präsident Andres F. Leuenberger las der Landesregierung die Leviten und geisselte die Übermacht der Verwaltung. Damals wurde der Verband ehrfürchtig als «achter Bundesrat» bezeichnet.

Zwei Jahrzehnte später ist der Glanz verblasst. Der Vorort heisst jetzt Economiesuisse. Am Donnerstag lud die Organisation die Medien nach Bern. Der Konferenzraum im Restaurant Schmiedstube hat den Charme eines Lehrerzimmers. Trotzig kündigt Direktorin Monika Rühl an, man werde sich «mit aller Stärke und Vehemenz» gegen die SVP-Initiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit stemmen.

Derzeit jedoch kämpft Economiesuisse gegen Geldmangel. Von einer Million Franken, die fehlt, ist intern die Rede. Die Geschäftsstelle verzichtet auf mehrere Auftragsstudien und hält die Mitarbeiter zum sparsamen Umgang mit Ressourcen an – es gelte die Devise, das Kampagnenbudget möglichst zu schonen.

Auf der anderen Seite ist Blochers Kriegskasse für die Schlacht gegen Europa prallvoll. Tochter Magdalena sitzt heute im Nationalrat. Sie kontrolliert einen Konzern mit 16 Milliarden Franken Börsenwert.

Wer sich bei Economiesuisse umhört, erfährt von mehreren Gründen für die Baisse. Akut ist der Wegfall von Swisselectric. Der Zusammenschluss der einst potenten Strombranche existiert seit letztem Jahr nicht mehr.

Finanzbranche zahlt weniger

Monika Rühl: «Das ist ein besonderer Fall, wenn ein Verband sich auflöst. Das hat finanzielle Einbussen gegeben.» Hinzu kommt die Finanzindustrie, deren Zuschüsse an den Dachverband geringer werden. Branchen zahlen entsprechend ihrem Anteil am Schweizer Bruttoinlandprodukt. 2016 betrug dieser im Finanzsektor noch 9,4 Prozent. 2005 waren es 11,4 Prozent.

Vor allem aber ist da die Flut von Initiativen und Referenden, die von rechts, aber auch von links auf den Wirtschaftsstandort zielen.

Allein aus der SVP kommen drei solche Attacken: Die Selbstbestimmungsinitiative gegen «fremde Richter», die Kündigungsinitiative und der Widerstand gegen das Rahmenabkommen mit Brüssel.

Rühl will dennoch nichts von einem Sparprogramm bei Economiesuisse wissen. «Ich würde eher von einer Verzichtsplanung sprechen», sagt sie. «Wir machen gewisse Sachen weniger. Zum Beispiel Papierbroschüren. Und unseren Jahresbericht 2018 werden wir nur noch digital publizieren.» Geldbeträge nennt Rühl keine: «Wir sind ein privater Verein und veröffentlichen unsere Zahlen nicht.»

Die Verbandstätigkeit sei heute schwierig, räumt sie ein: «Es ist unbefriedigend, dass derzeit so viele schädliche Abstimmungsvorlagen in der Pipeline sind. Das bedeutet, dass wir fast permanent in der Kampagnenarbeit sind.» Das brauche mehr Ressourcen. «Aber die Bereitschaft unserer Mitglieder, Mittel zur Verfügung zu stellen, ist nach wie vor vorhanden.»

Zersplitterte Politik

Während früher drei grosse politische Blocks – Linke, Liberale und Konservative – miteinander um eine Lösung fochten, ist die Politik heute zersplittert. Rühl: «Der Aufwand ist heute grösser. Die Welt ist vielfältiger, wir haben mehr politische Parteien als früher, aber auch etliche andere Player wie Verbände oder NGOs. Das bedeutet, dass wir für jede Abstimmung eigens eine neue Allianz bilden müssen.»

Trotzdem sagt sie: «Wir sind gut aufgestellt.»

Starredner 1995 im Kongresshaus war der freisinnige Wirtschaftsführer Ulrich Bremi. Er warf dem Bundesrat vor, sich von den Leuten entfernt zu haben, und mahnte zur Vertrauensbildung.

Das hat sich mittlerweile geändert – seit der Finanzkrise und der Niederlage im Kampf gegen die Abzockerinitiative hat nicht die Regierung ein Vertrauensproblem, sondern die Wirtschaft. Und mit ihr der Dachverband.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?