Nach dem Entscheid ist vor dem Entscheid – so lautet das Los der Schweizer Politik. Immerhin: Simonetta Sommaruga (60) lässt kaum Zeit verstreichen. Fünf Tage, nachdem das CO2-Gesetz an der Urne versenkt wurde, präsentiert die SP-Umweltministerin bereits ihren nächsten Streich. Und bei dem geht es um den Strom – besser gesagt um mehr sauberen Strom aus Schweizer Quellen.
«Unabhängig vom Ausgang der Abstimmung wird die Dekarbonisierung der Wirtschaft weitergehen, so Sommaruga. «Kohle, Öl und Gas gehen ihrem Ende entgegen. Oft werden sie durch Strom ersetzt werden.»
Das schlägt Sommaruga vor
Die Schweiz hat 2017 den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen und muss daher neue Wege finden, ihren Strombedarf zu decken. Am liebsten mit inländischem Strom aus erneuerbaren Quellen – also Sonne, Wasser, Wind. Das sind die Kernpunkte des Gesetzes:
Zielwerte: Das Energiegesetz enthält neu verbindliche Zielwerte für den Ausbau von Wasserkraft und anderen erneuerbaren Energien für die Jahre 2035 und 2050. 2050 sollen insgesamt 39 Terawattstunden aus erneuerbaren Energien zur Verfügung stehen. Auch beim Stromsparen gibt es nun Ziele: Der durchschnittliche Energieverbrauch pro Kopf soll bis 2035 gegenüber dem Jahr 2000 um 43 Prozent sinken. Bis 2050 soll er um 53 Prozent zurückgehen. Der durchschnittliche Stromverbrauch soll im Vergleich zum Jahr 2000 bis 2035 um 13 Prozent sinken, zwischen 2035 und 2050 nur noch um 5 Prozent.
Förderung: Die bisherigen Förderinstrumente werden bis 2035 verlängert. Und sie sollen mehr Wettbewerb bringen. So sollen keine garantierten Vergütungstarife für den ins Netz eingespeisten Strom gezahlt, sondern Beiträge für den Bau solcher Anlagen gezahlt werden. Für besonders grosse Fotovoltaikanlagen soll die Förderung wettbewerblich ausgeschrieben werden. Und wer bezahlt das alles? Der Stromkunde. Dafür wird der bestehende Netzzuschlag von 2,3 Rappen pro Kilowattstunde verlängert.
Sicherheit im Winter: Nach dem Ausstieg aus der Kernenergie macht besonders die Stromversorgung im Winter Sorgen. Denn Wind- und Sonnenenergie gibt es dann deutlich weniger. Also braucht es zusätzlich zum angestrebten Zubau der erneuerbaren Stromproduktion bereits bis 2040 auch noch den Zubau von 2 Terawattstunden, die im Winter sicher abrufbar ist. Und diese sollen CO2-neutral erfolgen. Der Bundesrat will solche Anlagen, prioritär grosse Speicherkraftwerke, mit einem «Winterzuschlag» von maximal 0,2 Rappen pro Kilowattstunde finanzieren.
Reserve: Zudem soll eine strategische Energiereserve geschaffen werden, damit auch gegen Ende des Winters jederzeit Energie verfügbar ist.
Strommarktöffnung: Der Bundesrat will den Strommarkt vollständig öffnen. Jeder – auch KMUs und Haushalte – sollen selbst entscheiden, woher ihr Strom kommt. Sie können auch selbst welchen produzieren und verkaufen. Um kleine Endverbraucher vor Preismissbrauch zu schützen, gibt es auch weiterhin eine Grundversorgung. Der Strom dafür muss zu 100 Prozent erneuerbar und aus der Schweiz sein.
Parlament will keine Förderlücke
Weil die parlamentarische Behandlung des Geschäfts länger dauern könnte, will der Nationalrat vorsorgen. Er hat diese Woche eine Übergangslösung beschlossen. Demnach sollen neue Windenergie-, Kleinwasserkraft-, Biogas-, Geothermie- und Fotovoltaikanlagen ab 2023 mit einmaligen Investitionsbeiträgen gefördert werden. Die grosse Kammer möchte verhindern, dass eine Lücke bei den Förderinstrumenten entsteht. (sf)