Bundespräsident Alain Berset weilt in den Ferien – und nimmt es dort offensichtlich locker. Am Sonntag hat er ein Selfie davon gepostet.
Der Innenminister schaut nicht in die Kamera, dafür trägt er Schirmmütze im Che-Guevara-Stil und einen grauen Dreitagebart. Sein V-Ausschnitt gibt den Blick auf Brusthaare frei.
Das ist sehr weit entfernt vom gewohnten Bild des glatt rasierten Politikers in Anzug und Krawatte. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb erntet er dafür über 17'000 Likes bis am Montagabend.
Berset kokettiert mit seinem Aussehen auch mittels Hashtags. #needashave (brauche Rasur), #lookingforarazor (suche Rasierer), #endofholidays (Ende der Ferien) und #backtowork (zurück an die Arbeit). Und das kommt gut an! Zumindest, wenn man den Betrachterinnen und Betrachtern auf Instagram glaubt. In den Kommentaren zum Bild raten sie ihm gar, den Bart nicht abzuschneiden und attestieren ihm eine Ähnlichkeit mit Hollywood-Stars wie George Clooney (62) oder Sean Connery (1930–2020).
Eine Strategie, um zu gefallen
Ein solches Porträt sagt unweigerlich auch etwas über die politische Kommunikation aus, die Berset damit bezweckt. Für Romain Pittet, Co-Präsident der Westschweizer PR-Gesellschaft, ist das Bild nicht frei von Bedeutung: «Dieses Foto ist eine Herausforderung für alle, die es anschauen», sagt er zu Blick. Denn: «Das ist Alain Berset, aber er sieht nicht aus wie Alain Berset.»
Der SP-Bundesrat, sagt der Kommunikationsexperte, habe schon immer gerne gefallen. Und sich als «normaler Mensch» zu zeigen, sei eine Möglichkeit, um Popularität zu gewinnen. Eine Strategie, die der Freiburger gut beherrsche: «Wir haben Berset schon in Jeans gesehen oder wie er Klavier spielt, als wäre er einer von uns. Aber diesmal habe ich den Eindruck, dass er noch einen Schritt weiter geht und uns kurz vor seinem Ausscheiden aus der Regierung Ende Jahr zeigt, dass er mehr sein kann als ein Bundesrat.» Ist es also eher ein geschickter PR-Trick statt ein politischer Fauxpas? «Bei mir funktioniert es auf jeden Fall», sagt Pittet.
«Körperbehaarung symbolisiert Männlichkeit»
Blick sprach auch mit John Antonakis, Professor für Organisationsverhalten an der Universität Lausanne. Er kennt die Bedeutung des Images von Politikern sehr gut.
Mit diesem Foto reihe sich Berset ein in die Gilde um die ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton, der beim Saxophonspielen fotografiert wurde, oder Barack Obama, der mehrmals in der Öffentlichkeit getanzt habe. «Ich denke nicht, dass ihm das Bild schadet, denn es signalisiert, dass er ein normaler Mensch ist», so Antonakis. Ausserdem signalisiere er mit seiner Körperbehaarung auch seine Männlichkeit. «Er zeigt uns den Mann Alain Berset, nicht den Bundesrat Alain Berset.»
Timing ist wichtig
Bloss: Hat man überhaupt das Recht, sich «normal» zu zeigen, wenn man das höchste Amt im Staat bekleidet? «Meiner Meinung nach sollten wir keine höheren Standards für Personen an der Macht haben», sagt Antonakis.
Das Timing sei jedoch wichtig. In diesem Fall habe Berset dieses ausgezeichnet getroffen. Ende Jahr tritt er als Bundesrat ab. Antonakis: «Ich glaube nicht, dass er ein solches Foto zu Beginn seiner Amtszeit hätte posten können, denn dann hätten einige Leute gesagt, er könne das unmöglich ernst meinen.»