3 Jahre Frankenschock – Schneider-Ammann sieht die Wirtschaft über dem Berg
«Für viele Unternehmer war es brutal»

Der Entscheid der SNB hat 2015 vor allem den Tourismus, den Detailhandel und die Maschinenindustrie kalt erwischt. Das weiss Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann. Er versprüht aber Zuversicht und will den Schwung für die Unternehmenssteuerreform, weniger Bürokratie oder neue Freihandelsabkommen nutzen.
Publiziert: 08.01.2018 um 09:57 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 17:55 Uhr
Bundesrat Johann Schneider-Ammann blickt im Interview auf die Folgen des Entscheids der Schweizerischen Nationalbank vom Januar 2015 zurück, die Währungsuntergrenze aufzugeben.
Foto: Christian Pfander/EQ Images
Interview: Pascal Tischhauser

BLICK: Herr Bundesrat, die Schweizerische Nationalbank, die SNB, könnte erneut um die 30 Milliarden Gewinn machen. Sind Sie zufrieden?
Johann Schneider-Ammann:
Die SNB wird am Dienstag Angaben zu ihrem Jahresergebnis machen. Wie auch immer es ausfällt: Sie hat nicht die Aufgabe, Gewinne zu generieren. Sie muss die Preisstabilität erhalten. Das hat sie gut gemacht. Insofern bin ich zufrieden.

Aber teuer erkauft: Die SNB dürfte 2017 für fast 100 Milliarden Franken Euro gekauft haben. Ist die Aufhebung der Wechselkursuntergrenze nicht ein Fehler gewesen?
Wie die SNB ihren Auftrag erfüllt, ist ihr überlassen. Es ist nicht Aufgabe des Bundesrats, hier eine Bewertung abzugeben.

Wie gross ist der volkswirtschaftliche Schaden durch die Aufhebung?
Der Schock war gross. Zwar sind wir nicht in eine Rezession gefallen, aber für viele Unternehmer, nicht nur in der Exportindustrie, waren die vergangenen Jahre brutal. Besonders betroffen waren und sind Tourismus, Detailhandel und Maschinenindustrie.

Es gibt aber auch Betriebe, die gestärkt worden sind.
Wer gestärkt aus dem Schock hervorgegangen ist, ist heute topfit. Andere haben es leider nicht geschafft. Eine dritte Gruppe ist weiter am Kämpfen. Ich danke allen Unternehmern und Mitarbeitenden, die sich mit Kostenreduktionen und neuen Produkten engagierten, so Jobs sicherten und die Basis für neue Stellen geschafft haben.

Vor einem Jahr sagten Sie, der Frankenschock habe 7000 Arbeitsplätze gekostet. Wie ist die Situation heute?
Zum Glück hat die Konjunktur in allen Märkten angezogen. Das schwächt den Franken und füllt die Auftragsbücher. Das bringt neue Jobs. Gemäss unseren Prognosen sinkt die Arbeitslosenquote in den nächsten zwei Jahren unter die Drei-Prozent-Schwelle. Mindestens so wichtig ist es, dass anziehende Margen Geld für Investitionen freispielen.

Das heisst: Wir sind über den Berg?
Ich bin zuversichtlich: Die Industrie erholt sich, die europäischen Touristen kommen wieder zu uns. Nutzen wir diesen Schwung, um wichtige Reformen wie die Unternehmenssteuerreform, weniger Bürokratie oder neue Freihandelsabkommen durchzubringen und uns auf die Digitalisierung einzustellen.

Müssten die Arbeitgeber nicht auch die Arbeitszeiten wieder senken auf 40 Stunden? Denn Arbeitszeiterhöhungen wurden nicht rückgängig gemacht.
Es ist Sache der Sozialpartner, Lohn- und Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Die Situation dürfte je nach Branche und teilweise auch je nach Betrieb sehr unterschiedlich sein. Ich masse mir daher kein generelles Urteil an.

Was wäre ein fairer Kurs?
Darüber streiten sich die Wissenschaftler. Ich spreche lieber von einem Kurs, der die Schweiz wettbewerbsfähig und vollbeschäftigt macht. Dieser liegt klar über 1.20 Franken.

Die Industrie wächst nicht, nur Gesundheits- und Pharmaindustrie legen zu. Was braucht es?
Die Weltwirtschaft wächst kräftig, und der Franken schwächt sich ab. Davon profitiert unsere Exportwirtschaft. 2017 haben sich auch die Ausfuhren von Maschinen positiv entwickelt. Klar ist aber: Wollen wir langfristig erfolgreich sein, brauchen wir hervorragende Rahmenbedingungen. Dazu gehört der Zutritt zu Wachstumsmärkten wie zum südamerikanischen Gemeinschaftsmarkt Mercosur mit einem Freihandelsabkommen.

Was wäre, wenn es mit einem Mercosur-Abkommen nicht klappte?
Dann müssten unsere Firmen weiter und anders als die europäische Konkurrenz 7 bis 35 Prozent Zölle zahlen. Da wären wir chancenlos. Hier führen wir in den kommenden Monaten harte Diskussionen mit der Landwirtschaft, die die Bedeutung des Marktzutritts für die Industrie noch nicht erkannt hat.

Wie kann es sein, dass die weitere Entwicklung unseres Landes an einem Sektor wie der Landwirtschaft hängt, der für unsere Volkswirtschaft irrelevant ist?
Wie alle Sektoren muss die Landwirtschaft wettbewerbsfähiger werden. Wie Mitarbeitende und Unternehmer der Industrie zeigen, erfolgt das mit Effizienz, Innovation und Spezialisierung. Alle sind bereit, die Landwirtschaft bei den vom Gesamtbundesrat vorgeschlagenen, zwingend nötigen Reformen zu unterstützen.

SNB-Chef Jordan darf nicht übertreiben

Ein Kommentar von BLICK-Wirtschaftschef Harry Büsser

Es ist keine leichte Aufgabe, das Vertrauen in eine Währung über lange Zeit zu bewahren. Während es in anderen Ländern immer wieder Währungskrisen mit fatalen Folgen für die Bevölkerung gab, ist der Schweizer Franken aussergewöhnlich stabil geblieben. Dafür hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) viel Lob verdient.

Allerdings haben unsere Währungshüter in der Vergangenheit auch schon übertrieben, und für einen starken Franken Jobs geopfert. Beispielsweise wurde Markus Lusser, SNB-Präsident in den 90er-Jahren, von Gewerkschaften als «Job-Killer der Nation» bezeichnet. Sogar die Arbeitgeber waren gleicher Meinung: Beim Rücktritt von Lusser bedankte sich ein Klub von Exportindustriellen in einem Inserat, weil damit die Periode des überbewerteten Frankens verkürzt wurde.

Thomas Jordan, der heutige SNB-Präsident, muss das nicht befürchten. Noch nicht. Aber Kritik muss er sich gefallen lassen, wenn seine Entscheidungen Arbeitsplätze in der Schweiz vernichten. Er darf nicht übertreiben, und alles einem starken Franken unterordnen.

Ein Kommentar von BLICK-Wirtschaftschef Harry Büsser

Es ist keine leichte Aufgabe, das Vertrauen in eine Währung über lange Zeit zu bewahren. Während es in anderen Ländern immer wieder Währungskrisen mit fatalen Folgen für die Bevölkerung gab, ist der Schweizer Franken aussergewöhnlich stabil geblieben. Dafür hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) viel Lob verdient.

Allerdings haben unsere Währungshüter in der Vergangenheit auch schon übertrieben, und für einen starken Franken Jobs geopfert. Beispielsweise wurde Markus Lusser, SNB-Präsident in den 90er-Jahren, von Gewerkschaften als «Job-Killer der Nation» bezeichnet. Sogar die Arbeitgeber waren gleicher Meinung: Beim Rücktritt von Lusser bedankte sich ein Klub von Exportindustriellen in einem Inserat, weil damit die Periode des überbewerteten Frankens verkürzt wurde.

Thomas Jordan, der heutige SNB-Präsident, muss das nicht befürchten. Noch nicht. Aber Kritik muss er sich gefallen lassen, wenn seine Entscheidungen Arbeitsplätze in der Schweiz vernichten. Er darf nicht übertreiben, und alles einem starken Franken unterordnen.

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