Drei Bundesratsparteien bestimmen ihre neuen Chefs ...
... aber wo sind die Frauen?

Christophe Darbellay, Toni Brunner und Philipp Müller gehen. Ihre Parteien werden wohl auch künftig von Männer geführt. Der Job schreckt Frauen ab.
Publiziert: 24.01.2016 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 21:25 Uhr
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Foto: SonntagsBlick Fotomontage, Keystone
Simon Marti und Marcel Odermatt

Gleich drei Parteien bestimmen im Frühjahr ihren neuen Parteichef. Die Delegierten von CVP, FDP und SVP entscheiden, wer sie künftig leitet. Was auffällt: Bei allen stehen Männer in der Pole Position. Bei der CVP hat Gerhard Pfister (53) gute Chancen, die Nachfolge von Christophe Darbellay (44) anzutreten. In der SVP ist Albert Rösti (48) als Sukzessor von Toni Brunner (41) praktisch gesetzt. Und bei der FDP hat Christian Wasserfallen (34) die besten Karten Philipp Müllers (63) zu beerben. Immerhin: Bei den Freisinnigen ist noch Petra Gössi (40) im Rennen.

Es stellt sich die Frage, warum drängen nicht mehr Frauen in eines der wichtigsten Ämter der Schweizer Politik? SonntagsBlick machte sich auf die Spurensuche. 

Regula Rytz (53) präsidiert seit bald vier Jahren die Grünen. «Frauen politisieren in der Regel konstruktiver und ziehen den Dialog dem Schlagabtausch vor», so die Berner Nationalrätin.  Sie verhelt nicht:  Die Folgen des Verschleissjobs sind einschneidend. Wer eine Partei führe, müsse laut und aggressiv auftreten, zumindest werde das von den Medien erwartet. «Ein Parteipräsidium verlangt permanente Erreichbarkeit», sagt Rytz. «Das Privatleben ist nicht planbar.» Darin liegt denn auch der Grund, dass Adèle Thorens (44), mit der Rytz sich das Präsidium bislang geteilt hat, von ihrem Posten zurücktritt.  «Adèle Thorens will endlich mehr ungestörte Zeit für ihre Tochter haben», sagt Rytz. Ruft die Partei, kann die Familie zum Hemmschuh werden.

Grünen-Chefin Regula Rytz.
Foto: EQ Images

EVP-Chefin Marianne Streiff ist die zweite Parteipräsidentin unter der Bundeskuppel. Das geht, so, die Nationalrätin, weil ihr Nachwuchs inzwischen auf eignen Beinen steht. «Wären meine Kinder nicht erwachsen, wäre ich nicht Präsidentin der EVP», sagt die Bernerin klipp und klar.

Die Präsidentin der Grünen geht aber noch einen Schritt weiter, als Mitte-Politikerin Streiff. Rytz ist überzeugt, dass Frauen in der Öffentlichkeit noch immer anders bewertet würden als Männer: 

«Bis heute ist es so, dass Frauen in politischen Spitzenpositionen stark unter Beobachtung stehen. Oft schwingt ein sexistischer Ton mit, wenn Frauen nach ihrem Äusseren bewertet werden, Männer hingegen nicht.»

Unternehmerin Sonja A. Buholzer (55) berät Führungskräfte in Wirtschaft und Politik. Sie teilt die Meinung von Regula Rytz. «Die Bewertung von Äusserlichkeiten spielen sicher noch eine Rolle. Und das wird wohl auch nie aufhören», so Buholzer. Sie fordert von Politikerinnen, «die Komfortzone zu verlassen» und aktiv um Ämter zu bewerben. Sie beklagt zugleich «den fehlenden Mut und ein zu kleines Selbstvertrauen», mancher Frauen in der Politik. In absehbarer Zeit wird sich daran auch wenig ändern, ist sie sich sicher. «Bis sich Frauen in gleichem Ausmass für politische Spitzenämter, gerade für das Präsidium einer Partei, bewerben, müssen wir noch zwei oder drei Generationen zuwarten», so Buholzer. 

Unternehmerin Sonja A. Buholzer.
Foto: RDB

Gespräche mit möglichen Kandidatinnen bestätigen diese Prognose. CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (51) sagt: «Mich würde diese Aufgabe auf jeden Fall reizen.» Ihre familiäre Situation lasse es aber nicht zu. «Die Kids sind 13 und 15 Jahre alt und ich möchte nicht noch weniger Zeit mit ihnen verbringen.»

Parteikollegin Ida Glanzmann-Hunkeler (57) hält es ähnlich: «Natürlich habe ich mir als Vizepräsidentin auch schon überlegt, das Amt des Parteichefs anzustreben.» Obwohl ihre Kinder erwachsen seien, sei sie zum Schluss gekommen, dass der Preis dafür zu hoch sei. «Wegen der ständigen Verfügbarkeit käme meine Familie zu kurz.» Schliesslich gebe es für sie auch ein Leben neben der Politik.

Welches Leben sie künftig führen will, entscheidet im Moment auch Petra Gössi. Nächste Woche spricht die mögliche Kandidatin für das FDP-Präsidium mit der Findungskommission der Freisinnigen. «Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich kandidieren werde», sagt die Schwyzer Nationalrätin. Sie stelle sich aber schon die Frage, ob sie auf die Karte Parteipräsident setzen wolle. «Für dieses Amt braucht man breite Schultern, muss vieles einstecken, ist sehr exponiert.» Die Unternehmensberaterin muss zudem klären, wie sie ein Präsidium und ihren Job unter eine Hut bringen könnte.

Gut möglich also, dass die Leitung der bürgerlichen Bundesratsparteien auch in den nächsten Jahren Männersache bleibt.

FDP-Nationalrätin Petra Gössi.
Foto: EQ Images

Blick zurück

Frauen in der Schweizer Politik haben eine wechselhafte Geschichte. Bis 1971 politisch unmündig, musste ihre Aushängeschilder immer wieder herbe Rückschläge hinnehmen. Die erste Bundesrätin Elisabeth Kopp scheiterte wegen eines Telefonanrufes an ihren Mann. Ruth Metzler verlor den Parteischacher gegen Joseph Deiss und wurde von Christoph Blocher ersetzt. Die erste und bisher einzige Frau an der Spitze der FDP, Christiane Langeberger (+2015), trat nach nur 15 Monaten im Amt im März 2004 entnervt zurück, nachdem ihre eine parteiinterne Arbeitsgruppe den Rücktritt nahe gelegt hatte. 

Christdemokratin – Eva Segmüller (83) machte einiges durch. «Ein Nachteil war, dass ich als Mutter und Hausfrau nicht in gleichem Masse vernetzt war wie die Männer in Beruf und Militär», erinnert sie sich. Sie merkte, dass manche Geschäfte ohne ihr Wissen in die Wege gleitet wurden. Nach fünf Jahren 1992 quittierte sie den Dienst – der bestes vernetzte Machtpolitiker Carlo Schmid übernahm das Ruder.

CVP-Frauen wollen Pfister

Das Verhältnis der CVP-Frauen zum Parteichef war jüngst gespannt. Immer wieder legte sich Präsidentin Babette Sigg (53) mit Christophe Darbellay (44) an. Nach dessen Abgang setzt Sigg jetzt «auf einen Neuanfang», wie sie sagt. An ihrer Bürositzung diskutierten die CVP-Frauen Schweiz am Wochenende, ob sie den bisher einzigen Kandidaten Gerhard Pfister (53) unterstützen. Sigg: «Gerhard Pfister hat gute Karten.» Eine Gegenkandidatur der Frauen sei keine Option. «Wir können uns vorstellen, dass er ein guter, ausgleichender Präsident sein wird.»

Das Verhältnis der CVP-Frauen zum Parteichef war jüngst gespannt. Immer wieder legte sich Präsidentin Babette Sigg (53) mit Christophe Darbellay (44) an. Nach dessen Abgang setzt Sigg jetzt «auf einen Neuanfang», wie sie sagt. An ihrer Bürositzung diskutierten die CVP-Frauen Schweiz am Wochenende, ob sie den bisher einzigen Kandidaten Gerhard Pfister (53) unterstützen. Sigg: «Gerhard Pfister hat gute Karten.» Eine Gegenkandidatur der Frauen sei keine Option. «Wir können uns vorstellen, dass er ein guter, ausgleichender Präsident sein wird.»

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