Die Anti-Minarett-Initiative beschäftigt auch jene, gegen die sie sich richtet: gläubige Muslime wie Adel Abdel-Latif (38).
Der Basler stammt väterlicherseits aus Ägypten und ist Sunnit. 1996 war er Mister Schweiz, heute arbeitet er als Arzt und Gesundheitsexperte von «Blick am Abend». Seit einem Jahr ist der Mediziner mit Simone Kromer (31) liiert, einer Vorreiterin der Schweizer Technobewegung. Ihr Künstlername DJJane: Lady Tom. Vor zehn Jahren trat sie aus innerer Überzeugung zum Islam über.
Wie oft beten Sie?
Adel Abdel-Latif: Täglich. Der Kontakt zu Gott gibt mir Stärke, Hoffnung und Halt.
Beten Sie in einer Moschee?
Wenn es mein enger Zeitplan als Arzt erlaubt. In der Schweiz gibt es aber nur wenige echte Moscheen, etwa in Genf und Zürich. Der Rest sind Gebetshäuser. Wenn ich in Basel bin, besuche ich ein Haus dort.
Wie müssen wir uns das vorstellen?
Als Ort der Harmonie und des Friedens. Freitags treffen sich Muslime und knüpfen Kontakte, diskutieren und beten.
Wie reagieren die Menschen im Alltag auf Sie als Muslim?
Bis zum heutigen Tag erfuhr ich noch nie Feindseligkeiten. Ich arbeite als Facharzt FMH für Radiologie in einem katholischen Kanton und wurde im Jahr 1996 trotz meines Namens und kulturell-religiösen Hintergrundes sogar Mister Schweiz. Dass Ueli Maurer bis zum Tag seiner Wahl in den Bundesrat diese menschenverachtende Kampagne unterstützte, ist tragisch.
Verstehen Sie die Angst vor dem radikalen Islamismus nicht?
Die Medien zeigen ein falsches Bild des Islams: bärtige Männer, bewaffnet mit einer Kalaschnikow.
Aber die gibt es doch – etwa Al Kaida oder die Taliban, welche unschuldige Zivilisten töten.
Das hat nichts mit dem wahren Islam zu tun. Würden die Medien mehr von der überwiegenden Mehrheit friedliebender Muslime berichten, wäre auch die Angst nicht vorhanden.
Dennoch: Könnten die muslimischen Gemeinden in der Schweiz nicht mehr gegen radikale Strömungen unternehmen?
Alle mir bekannten islamischen Gemeinden in der Schweiz verurteilen den militanten Radikalismus aufs Schärfste. Aber es liegt doch in der Wahrscheinlichkeit, dass unter den 1,5 Milliarden Muslimen einige schwarze Schafe sind.
Einige schwarze Schafe?
Die islamistische Gefahr halte ich hierzulande für verschwindend klein, da es in unserem Rechtssystem – das übrigens dem islamischen sehr ähnlich ist – keine entsprechenden politischen Ziele zu erreichen gibt. Es darf aber auch kein Radikalismus gegen den Islam entstehen.
Die Anti-Minarett-Initiative ist ein Radikalismus?
Ja. Der SVP geht es doch darum, friedliche Moslems, darunter Schweizer Bürger wie mich, aufgrund ihrer Religion bewusst zu kriminalisieren.
Aber es gilt doch auch das hohe Gut der einungsfreiheit zu bewahren.
Meinungsfreiheit hört da auf, wo bewusst Lügen und menschenverachtende Beleidigungen lanciert werden, um ein eigennütziges Ziel zu erreichen. Jeder Mensch hat in diesem Land das Recht, seine Religion friedlich zu leben. Übrigens, ich war gerade in Ägypten. Dort gibt es unzählige Kirchen, und niemand stört sich daran.
Was sagen Sie zu den Plakaten der Initiativbefürworter?
Die sind rassistisch und menschenverachtend. Der friedliche Islam wird bewusst in eine terroristische Ecke geschoben. Eine verängstigte und verschleierte Frau, Minarette als Raketen auf dem Schweizer Kreuz: Da fehlen mir die Worte.
Der Schleier ist kein Mittel zur Unterdrückung der Frau wie etwa im Iran?
Strenggenommen müssten auch Christinnen und Jüdinnen eine Kopfbedeckung tragen, was viele ja auch tun. Warum wird denn gerade die Muslimin derart scharf angegriffen? Auch meine Partnerin trägt ab und zu ein Kopftuch – und glauben Sie mir: Sie sieht damit wunderschön aus!
Mag sein. Aber Millionen Musliminnen werden zum Tragen des Schleiers gezwungen.
Solange eine Muslimin zum Schutz ihrer Würde und aus eigenem Willen ein Kopftuch tragen will, gibt es nichts dagegen einzuwenden. Die SVP-Kampagne aber zeigt eine verängstigte und voll verschleierte Frau. So wird dem Betrachter das falsche Bild der Unterdrückung suggeriert.
Hat die Initiative Chancen?
Ich bin als gebürtiger Schweizer überzeugt, dass wir uns auf unsere landestypischen Werte wie Friede, Glaubensfreiheit und Neutralität berufen. Diese Initiative wird klar abgelehnt werden