Atemlos durch die Nacht» von Helene Fischer (30) ist der Schlagerhit der Stunde. Der politische Gassenhauer heisst «Atomlos durch die Nacht». Und stammt aus der Feder von Doris Leuthard (51).
Seit dem AKW-Unglück von Fukushima 2011 arbeitet die einst als «Atom-Doris» betitelte Aargauerin an einer komplett neuen Energieversorgung. Ob sie funktionieren wird, hängt auch davon ab, ob es gelingen wird, die vor allem für die Versorgung in der Nacht wichtige Atomenergie zu ersetzen.
Darum geht Leuthard als Vorbild voran. Zuerst bestückte die Energieministerin ihr Haus in Merenschwand AG mit Solarzellen. Seit Dienstag lässt sie sich mit einem Elektro-Flitzer herumchauffieren.
Den Mercedes-Dienstwagen hat sie durch einen Tesla S 85 ersetzt. Stolz präsentiert sich die CVP-Bundesrätin vor dem 416-PS-Schlitten, der laut Experten eine «grandiose Beschleunigung» hat.
Leuthards Chauffeur findet offenbar Gefallen am neuen Gefährt. Sie selbst hatte kaum Zeit zum Probefahren.
Die ganze Woche verteidigte sie nämlich ihr Monster-Energiewende-Paket im Nationalrat. Und teilte charmant, aber bissig aus. Auf alle Seiten.
So warf sie etwa der SVP vor, eine inkonsequente Haltung zu vertreten. Man könne nicht die Honigtöpfe grundsätzlich ablehnen und dabei für einzelne Technologien wie etwa Holzkraftwerke zusätzliche Förderung verlangen.
Aber auch ihre Atomausstiegs-Allianz bekam ihr Fett weg: Wer A sage, also mehr Anlagen für erneuerbare Energien wolle, müsse auch B sagen, sagte sie den Linken bei der Frage, ob man Kraftwerke auch in Naturschutzgebieten bauen dürfe.
Selbst SVP-Politiker wie Albert Rösti (47, BE), der das Paket als einen «nie da gewesenen und schädlichen Eingriff in die Wirtschaft» bezeichnet, loben Leuthard: «Sie ist sehr eloquent. Aus unserer Sicht ist sie fast zu gut. Sie umgeht aber kritische Fragen.» In einer Volksabstimmung werde sie es kaum so einfach haben wie im Parlament, prophezeit er.
SP-Energiepolitiker Beat Jans (50, BS) meint: «Das Dümmste, was einem passieren kann, ist, dass man Leuthard gegen sich hat – egal, auf welcher Seite.»
Jans lobt insbesondere, wie sich die Bundesrätin in die komplizierten Details eingearbeitet habe. «Als ich ihr das dänische Stromeffizienz-System erklären wollte, sagte sie mir, sie habe bereits einen Flug nach Dänemark gebucht – um sich das selber anzuschauen.»
Leuthard setzte sich in den groben Zügen durch:
Subventionen: Die Ökostrom-förderung KEV wird auf 2,3 Rappen pro Kilowattstunde erhöht. Das kostet jeden Haushalt im Schnitt 100 Franken im Jahr.
Verbrauch: Bis 2020 muss der Energieverbrauch pro Kopf gegenüber 2000 um 16 Prozent sinken, bis 2035 um 43 Prozent. Beim Strom sind das bis 2020 drei Prozent, bis 2035 13 Prozent.
Stromeffizienz: Produzenten profitieren, wenn sie Jahr für Jahr weniger Strom verkaufen. Wer dies nicht erfüllt, wird sanktioniert. Wer aber übererfüllt, kann Geld verdienen.
CO²-Ausstoss: Die CO2-Abgabe wird zwar vorerst nicht erhöht. Der Bundesrat bekommt aber die Kompetenz, sie in Eigenregie anzuheben.
Naturschutzgebiete: Kraftwerke gelten als «nationales Interesse». Und können deshalb auch in Naturschutzgebieten gebaut werden.
Am Montag und Dienstag muss Leuthard nochmals ran. Dann gehts um den Kern der Energiewende: die Frage, wann die AKW vom Netz müssen.
Ob Leuthards Ausstiegs-Hymne zum nationalen Ohrwurm wird, wird erst die Zukunft zeigen. Dann, wenn das Volk darüber befindet.