Seit einem Jahr ist es verboten, Schwule und Lesben wegen ihrer sexuellen Orientierung zu diskriminieren. Die Schweizer Bevölkerung hat der Ausweitung der Rassismus-Strafnorm auf Homosexuelle letztes Jahr mit über 60 Prozent zugestimmt.
Der Abstimmungskampf drehte sich vor allem um Beschimpfungen, denen Schwule und Lesben auf der Strasse und in den Sozialen Medien ausgesetzt sind und die mit dem neuen Gesetz verfolgt werden können. Kaum diskutiert wurden hingegen allfällige Auswirkungen der erweiterten Strafnorm auf die Kirche.
Pfarrer sollten Lesben trauen
In einer Analyse, über die die «NZZ am Sonntag» berichtet, kommen drei Rechtsgelehrte nun zum Schluss, dass die Kirchgemeinden nach Spielräumen suchen sollten, «um homosexuellen Paaren Trauungen oder zumindest trauungsähnliche Einsegnungen zu ermöglichen».
Das könnte Sie auch interessieren
Denn gemäss der erweiterten Rassismus-Strafnorm macht sich strafbar, wer jemandem eine Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, aufgrund der sexuellen Orientierung verweigert. Die drei Rechtsgelehrten – Felix Hafner, Nadine Zurkinden und Martin Reimann – argumentieren, dass es sich bei einer kirchlichen Trauung um eine solche Leistung handle, da sie prinzipiell allen Trauungswilligen der betreffenden Kirche offenstehe.
Weigern sich Pfarrer und Seelsorger, Homosexuelle zu trauen, könnten strafrechtliche Konsequenzen «nicht völlig ausgeschlossen werden».
«Gerichte werden entscheiden»
Ähnlich sieht das Nadja Herz von der Lesbenorganisation LOS. Sie sagt gegenüber der «NZZ am Sonntag», dass das Diskriminierungsverbot auch für Kirchen gelte, und dass letztlich die Gerichte darüber entscheiden würden, ob sich die betroffenen Pfarrer strafbar machen.
In der katholischen Kirche gilt Homosexualität als Sünde. Die Schweizer Bischofskonferenz hat sich bislang allerdings nicht zu möglichen Klagen geäussert. Anders die reformierte Kirche: Sie empfiehlt ihren Mitgliedern bereits heute, gleichgeschlechtliche Paare kirchlich zu trauen.
Trauung nicht für Allgemeinheit
Der Schweizerisch Israelitische Gemeindebund (SIG), der sich während des Abstimmungskampfs noch stark für die Ausweitung der Rassismus-Strafnorm engagiert hatte, sieht sich nicht in der Pflicht.
Eine jüdische Eheschliessung richte sich nur an die Mitglieder der Religionsgemeinschaft und sei nicht für die Allgemeinheit bestimmt, sagt SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner. Entsprechend komme die Strafnorm nicht zur Anwendung. Ähnlich argumentieren auch andere Juristen. (til)