Die wichtigsten Fragen und Antworten
Organe spenden, ja oder nein? Bald musst Du entscheiden!

Eine Gesetzesänderung zwingt uns, Stellung zu Transplantationen zu beziehen. Die Fakten dazu.
Publiziert: 07.06.2024 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2024 um 08:22 Uhr
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Die Schweiz hat Ja gesagt zum neuen Transplantationsgesetz.
Foto: Keystone
Nicole Krättli
Beobachter

Knapp 1400 Personen warten in der Schweiz auf ein Spenderorgan. Die meisten auf eine Niere. Für manche ist die durchschnittliche Wartezeit von drei Jahren zu lang: Vergangenes Jahr sind 92 Menschen gestorben, bevor sie das benötigte Organ bekamen. Das liegt auch an der Schweizer Gesetzgebung. Organspender wird nach dem Tod nur, wer aktiv zugestimmt hat. So spenden aktuell pro Million Einwohner gerade einmal 20 Personen Organe. 

Das könnte sich bald ändern. 60 Prozent der Stimmbevölkerung haben im Frühling 2022 Ja zum neuen Transplantationsgesetz gesagt und damit einen Systemwechsel eingeleitet: Wer nicht möchte, dass nach dem Tod Organe und Gewebe entnommen werden, muss das künftig aktiv erklären. 

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Am 1. Mai 2024 hat der Bundesrat die neue Transplantationsverordnung in die Vernehmlassung geschickt. Unter anderem soll ein Register geschaffen werden, in dem man der Organspende zustimmen oder widersprechen kann. Der Systemwechsel kann frühestens im Jahr 2026 erfolgen, sagt Susanne Nyfeler, Sektionsleiterin beim Bundesamt für Gesundheit.

«Die Widerspruchsregelung muss gut und sicher umgesetzt werden – das braucht Zeit.» Zur Umsetzung gehört auch die elektronische Identität, die staatliche E-ID, die noch nicht zur Verfügung steht. Über sie soll der Zugang zum neuen Organ- und Gewebespenderegister erfolgen.

Ausserdem ist eine grosse Kampagne geplant. «Sie soll die Bevölkerung dazu anregen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und eine informierte Entscheidung zu treffen», sagt Nyfeler. Dazu sollte man die Rahmenbedingungen einer Organ- oder Gewebespende kennen.

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Wer kann Organe und Gewebe spenden?

Das hängt massgeblich vom Gesundheitszustand und der Funktionsfähigkeit der Organe und des Gewebes ab. In der Schweiz können bis zu sechs Organe gespendet werden: Herz, Lunge, Leber, Niere, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm. Zu den transplantierbaren Geweben und Zellen gehören Augenhornhaut, Herzklappen und grosse Blutgefässe, Knochen, Knorpel sowie Sehnen und Bänder. «Es gibt keine Alterslimite und fast keine Ausschlussgründe für eine Spende – es geht also alle etwas an», sagt Franz Immer, Direktor von Swisstransplant.

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Wie wird jemand für hirntot erklärt?

Hirntot bedeutet, dass das Gehirn nicht mehr durchblutet ist und keine Chance auf Erholung besteht. Das passiert oft nach schweren Hirnverletzungen, Hirnblutungen oder Sauerstoffmangel. Bevor Organe oder Gewebe entnommen werden, müssen zwei erfahrene Ärztinnen oder Ärzte unabhängig voneinander bestätigen, dass sowohl das Gehirn wie auch der Hirnstamm keine Funktionen mehr aufweisen. Das erfolgt nach den Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW). Die beiden Fachärzte dürfen nicht zum Team gehören, das die Organe entnimmt oder die Transplantationen durchführt. «Wenn die Zuständigen nicht alle Zeichen prüfen können und der unwiderrufliche Funktionsausfall des Gehirns nicht ausreichend geklärt werden kann, sind Zusatzuntersuchungen obligatorisch», erklärt Sibylle Ackermann, Leiterin Ressort Ethik der SAMW.

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Kommt eine Organspende auch nach Herz-Kreislauf-Stillstand in Frage?

Ja, wenn die Prognose aussichtslos ist und die medizinische Behandlung deshalb beendet wird. Wenn die Person voraussichtlich innerhalb von zwei Stunden nach dem Behandlungsende versterben wird, informiert das medizinische Team zunächst die Angehörigen und klärt den Spendewillen. Dann wird der Beatmungsschlauch entfernt und die kreislaufunterstützenden Medikamente werden gestoppt. Wenn der Herz-Kreislauf-Stillstand innerhalb von zwei Stunden eintritt, prüfen die Ärztinnen und Ärzte mithilfe von Ultraschall, ob das Herz mindestens fünf Minuten lang stillsteht und kein Blut mehr pumpt. Sobald das bestätigt ist, stellen zwei unabhängige Fachärzte den Tod gemäss den SAMW-Richtlinien fest. Wenn der Herz-Kreislauf-Stillstand nicht innerhalb von zwei Stunden auftritt, werden keine Organe entnommen. 

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Welche Organe kann man lebend spenden?

In der Schweiz können Erwachsene eine Niere oder einen Teil der Leber spenden. Meist sind es gerichtete Spenden, das heisst, die Spenderin hat eine freundschaftliche oder familiäre Beziehung zum Empfänger. Nur selten spendet jemand für einen unbekannten Empfänger auf der Warteliste. Eine Lebendspende hat für Erkrankte viele Vorteile. Etwa, dass die Wartezeit deutlich kürzer ist. Für den Lebendspender bedeutet sie aber einen operativen Eingriff, der im Vorfeld gut abgewogen werden muss. 

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Wie läuft eine Lebendspende ab?

Wichtig sind die Vorabklärungen. «Die Spendekandidaten werden eingehend beraten, aufgeklärt und medizinisch untersucht», sagt Daniel Sidler, Leitender Arzt am Inselspital Bern. Unter anderem wird die Funktionsfähigkeit der Organe geprüft und eine detaillierte Blutanalyse vorgenommen. Eine Psychologin überprüft zudem die Motivation hinter der Organspende und stellt sicher, dass sie wirklich freiwillig geschieht. Nur wenn alle Anforderungen erfüllt sind, kann jemand Lebendspender werden.

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Wie gefährlich ist eine Lebendspende?

Zwischenfälle bei Nierenspenden sind eher selten: Zwei bis drei Personen pro 10'000 Eingriffe sterben. Anders sieht es bei der Leberspende aus. In der Schweiz wird sie nur an den Universitätsspitälern Zürich und Genf durchgeführt. Pro 1000 Eingriffe sterben drei bis fünf Menschen.

Grundsätzlich bietet die Leber aber den grossen Vorteil, dass sie sich selbst regenerieren kann: Das Organ erreicht meist schon nach rund vier Wochen wieder sein ursprüngliches Gewicht. «Spenderinnen und Spender müssen während der Vorabklärungen, während der Organentnahme und darüber hinaus gut begleitet werden», sagt SAMW- Ethikerin Sibylle Ackermann. Zudem haben alle, die in der Schweiz eine Niere oder einen Teil ihrer Leber gespendet haben, Anspruch auf eine lebenslange gesundheitliche Nachsorge. 

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Wer bezahlt die Kosten der Lebendspende?

Die Krankenkasse der empfangenden Person. Es ist verboten, für Organspenden Geld oder andere Vorteile anzubieten oder anzunehmen. Eine Entschädigung für Einkommensausfälle, Aufwendungen oder Schäden durch die Organentnahme ist jedoch erlaubt und wird ebenfalls von der Krankenkasse abgedeckt. 

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Wie läuft eine Entnahme ab?

Organe werden in einem normalen Operationssaal entnommen, in einen speziellen Transportbehälter gepackt und so schnell wie möglich zum Transplantationszentrum gebracht. Auch bei verstorbenen Spendern wird die Operationswunde wieder ordentlich verschlossen, sodass ein würdevoller Abschied möglich ist. 

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Wer bekommt ein Spenderorgan?

Das ist gesetzlich streng geregelt. Welche Person auf der Warteliste an die Reihe kommt, wird nach folgenden Kriterien entschieden: medizinische Dringlichkeit, medizinischer Nutzen und Wartezeit. Priorität haben zudem Kinder und Menschen mit einer seltenen Blutgruppe. 

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