Grosser Tag für die SVP Zürich: Am Sonntag feiert die älteste Sektion der einstigen Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei ihr 100-Jahr-Jubiläum. Und kommt damit der Berner SVP zuvor, die erst nächstes Jahr den runden Geburtstag begeht.
Es passt zur Hackordnung in der Mutterpartei. 1977 begann das Ringen um den Schweizer Kurs. Hart rechts, staatskritisch, feindselig gegenüber EU und Ausländern – wie es die Zürcher vertraten? Oder pragmatischer, staatstragend, offener – wie es in Bern üblich war? Die Geschichte ist bekannt: Der Zürcher Stil setzte sich durch.
Blocher trimmte die SVP auf rechts
Diese Machtverschiebung hat einen Namen: Christoph Blocher. 1977 wurde er zum Präsidenten der SVP Zürich gewählt. «Es war eine Richtungswahl. Und ein Schlussstrich unter die Öffnungsgelüste hin zur politischen Mitte», sagt Historiker und alt SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli, der gerade ein 750 Seiten dickes Buch zur Geschichte der Zürcher SVP verfasst hat.
In Zürich waren die Weichen nach rechts gestellt. Gleichzeitig schwächten sich die Berner 1984 durch eine Finanzaffäre selbst nachhaltig: Dem von der SVP dominierten Regierungsrat wurden eine ganze Reihe illegaler Machenschaften nachgewiesen. Dennoch blieb die SVP Bern in der Mutterpartei tonangebend – und stellte mit Adolf Ogi bis 2000 und Samuel Schmid bis 2008 auch den Bundesrat.
Doch ab den 90er-Jahren rückten die Zürcher den Bernern immer stärker auf die Pelle. «Zürich übernahm statt Bern die Betreuung der neu gegründeten Sektionen – und prägte damit auch Stil und Inhalt. Das war ein strategischer Fehler der Berner», erklärt Mörgeli.
Rasanter Aufstieg nach EWR-Nein
Das Schlüsselmoment war die EWR-Abstimmung 1992. Die SVP Bern kämpfte für den Beitritt, Blocher mit aller Vehemenz dagegen. Er gewann. «Dies bescherte der Partei ein Aha-Erlebnis und machte Blocher noch viel stärker», sagt der Berner alt Bundesrat Adolf Ogi zu BLICK.
Der finanzstarke Blocher baute seine dereinstige Dominanz aber schon in den 80er-Jahren auf: mit der Gründung der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns) 1986. «Ein zweites Kampforgan für Blocher», so Ogi.
Der Rosenkrieg der beiden SVP-Sektionen beschäftigte die Schweiz die ganzen 90er hindurch. 1999 war er entschieden: Die SVP errang bei den Wahlen einen Erdrutschsieg und wurde stärkste Kraft. Und es war klar, welchem Kurs das zu verdanken war. In Kantonen, in denen die SVP auf Zürcher Linie politisierte, waren die Sitzgewinne am grössten.
Die Berner kommen zurück – in Zürcher Manier
Zürcher wie Blocher oder Walter Frey hätten eben die Kraft gehabt, 365 Tage im Jahr Wahlkampf zu betreiben, sagt Ogi heute. «Andere Parteien und auch die bernische SVP-Ausrichtung konnten dem nichts Gleichwertiges entgegensetzen.»
Immerhin: Heute sind die Berner zurück – und stellen mit Adrian Amstutz und Albert Rösti den Fraktions- respektive Parteichef. Allerdings politisieren die zwei stramm im Sinne dessen, was man einst Zürcher Linie nannte. SVP Zürich und SVP Schweiz ist nach 100 Jahren dasselbe.