Die SVP hat zwei Bundesräte, ist die mit Abstand stärkste Partei – und doch tönt sie noch immer, als habe sie mit der realen Schweiz wenig zu tun. Nicht nur in Christoph Blochers Rede an der Albisgüetli-Tagung, sondern auch im neuen «Extrablatt» der SVP, das gestern im ganzen Land verteilt wurde.
Im Manuskript zur Rede im Albisgüetli, das er nicht vollständig vorlas, tobt Blocher: «Die Asylzahlen sind mit 40 000 Gesuchen auf einem Allzeithoch.» Aber dieser Satz stimmt nicht. In den letzten 25 Jahren lag die Zahl der jährlichen Asylgesuche dreimal über 40 000. 1999, zur Zeit des Kosovokriegs, suchten in der Schweiz gar 47 513 Menschen um Asyl nach.
Das ficht einen Blocher nicht an. Der Noch-Parteivize ist überzeugt: «Die Zuwanderung hat uns eine Rekordarbeitslosigkeit von 3,7 Prozent beschert.» Doch auch damit frisiert er die Fakten. Zwar lag die Arbeitslosenquote im Dezember wirklich bei 3,7 Prozent – doch von einem Rekord kann keine Rede sein. Ein Jahrzehnt zurück lag sie höher. So etwa in den Dezembermonaten der Jahre 2003 bis 2005, als die Quote zwischen 3,8 und 4,1 Prozent pendelte. Es war, notabene, die Zeit, als Blocher im Bundesrat sass und eine SVP-FDP-Mehrheit regierte. Und 1996 lag die Arbeitslosenquote gar bei 5,3 Prozent.
Das SVP-«Extrablatt» passt zu dieser Krisen-Rhetorik – und zum liberalen Umgang mit Fakten. Hauptthema ist die Ausländerkriminalität. «Die meisten Gewaltverbrechen werden von Ausländern verübt!», schreibt SVP-Chef Toni Brunner. Abhilfe könne da nur die Durchsetzungs-Initiative schaffen. Als Beweise werden zahlreiche Statistiken und farbige Grafiken präsentiert.
Eine zeigt zum Beispiel, dass 73 Prozent der Gefängnisinsassen Ausländer seien. Das ist, sagt Ben Jann, Soziologieprofessor an der Universität Bern, ziemlich irreführend: «Der Ausländeranteil in den Gefängnissen liegt nur deshalb bei 73 Prozent, weil Kriminaltouristen mitgezählt werden. Eine klare Verzerrung.»
Denn Kriminaltouristen seien nicht Teil der Schweizer Bevölkerung, zudem seien viele ausländische Inhaftierte noch nicht verurteilt. Jann: «Zieht man die Kriminaltouristen von den Häftlingszahlen ab, ist das Verhältnis zwischen Ausländern und Schweizern schon etwas ausgeglichener», so Jann.
Eindrücklich auch die Grafik, nach der Ausländer bei Arbeitslosen, Sozialhilfebezügern, IV-Rentnern einen höheren Anteil stellen als an der Gesamtbevölkerung. Was in der SVP-Grafik fehlt: Auch die Armutsquote ist bei Ausländern mehr als doppelt so hoch wie bei Schweizern.
Manche Zahlen muss man gar nicht verdrehen. Manches, das weiss die SVP, kann man auch bloss unter den Tisch fallen lassen.